Risiko & Rendite – Teil 1/2 (Thomas Vittner)

Risiko und Rendite hängen eng zusammen. Ich Fachjargon müsste man sagen, dass die beiden Begriffe eine hohe Korrelation aufweisen. Und das bei einer sehr geringen Standardabweichung. Doch man muss das Thema gar nicht künstlich verkomplizieren. Nachfolgend ein paar Fakten, warum Sie weniger auf die Rendite denn mehr auf das Risiko achten sollten, und wie sich das in der Entwicklung eines Trading Systems widerspiegelt.

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Risiko und Rendite sind eigentlich zwei ganz unterschiedliche Begriffe. Genau genommen geht es bei beiden allerdings bloß um eines: um die möglichen Schwankungen der Anlage. Also um Volatilitäten. Vola begegnet uns in allen Aspekten. Täglich. Und sie ist das A&O an der Börse. Meine Beispiele dazu möchte ich nun anhand der Aktienmärkte bringen, obwohl Gesagtes natürlich für alle Asset Klassen gilt. Fangen wir bei der Systementwicklung selbst an.

Am Beginn der Karriere als Systementwickler ist es für die meisten Trader gar nicht schwer, nach einigen Versuchen gute Regeln zu finden, die ein performantes Handelsmodell letztlich ausmachen. Viel schwieriger ist es dann, die Volatilitäten damit und die Drawdowns zu reduzieren. Egal was man probiert, wirklich erfolgreich ist man auf diesem Sektor selten. Natürlich gelingt es mit einigen Maßnahmen, zum Beispiel den maximalen Drawdown zu minimieren. Doch wahrscheinlich stellt sich bald heraus, dass diese Maßnahmen unzureichend, ja gelinde gesagt, falsch sind.


Die meisten Anleger suchen an der falschen Stelle

 

Ich sprach darüber auch mit ein paar befreundeten Tradern, die zwar viel über Programmierung aber wenig über Statistik wussten, und die hatten das gleiche Problem. Aussagen wie diese waren mehr die Regel als die Ausnahme: „...Wenn ich nur etwas finden würde, dass den max. Drawdown auf 5-7% per Anno reduzieren würde. Eine Performance von 10-12% (alles im Backtest) würde mir dabei schon genügen.“ Nun, da gibt es mehrere Probleme und einige davon möchte ich nachfolgend aufzählen.

Falsche Grundausrichtung der Strategie

 

Beschäftigt man sich einige Zeit mit der Grundausrichtung von Handelsmodellen, bemerkt man rasch, dass die sogenannten Rerversionssysteme (Umkehr- oder Kontra-Trendansätze) deutlich performanter sind als zum Beispiel Break Outs oder Trendfolger. Schön und gut, aber es liegt eben auch in der Natur von Umkehrmodellen, dass diese hohe, lange und häufige Drawdowns kennen. Ich garantiere Ihnen: sie können suchen bis Sie schwarz werden... Sie werden kein Umkehrsystem finden, in dem sich die Drawdowns (sinnvoll) und deutlich minimieren lassen. Das liegt einfach in der Natur dieser Handelsmodelle. Denn was tut so ein Modell?

Es kauft sich ein, wenn eine Aktie in den letzten Tagen ordentlich runtergekracht ist. Die übliche Haltedauer solcher Modelle beträgt nur ein paar Tage und man arbeitet vorzugsweise ohne klassischen Stopp Loss. Statistisch gesehen geht das mehrheitlich gut, aber in Einzelfällen (oder in bestimmten Marktphasen - oder in bestimmten Sektoren) funktioniert das aber nicht. Und schon ist (wieder) ein (kleiner oder großer) Drawdown passiert.

Hören Sie also bitte auf, die Vola Ihres Reversionssystems mit unzureichenden Maßnahmen (diverse Filter etc.) zu reduzieren zu versuchen. Das wird meist in der Praxis dann nicht klappen.

Hedging

 

Ich kenne (leider) kaum einen privaten Trader, der sich bzw. sein System vernünftig hedgt. Dabei ist das gerade bei Reversionssystemen - aus den oben genannten Gründen - wichtig. Sicher: Hedging kostet in den meisten Marktphasen Performance. Aber das muss so sein.

Hedging bindet auch Kapital (es sei denn, sie verwenden einen Future - dafür ist aber das Konto der meisten privaten Trader zu klein). Alternativ bleibt ein ETF (oder mehrere ETFs) für die Absicherung und der bindet eben Kapital (wobei man den Hedge ja auch über den zur Verfügung gestellten Hebel „spielen“ könnte - aber das nur am Rande erwähnt).

Short Systeme

 

Ein Short System ist kein Hedging. Short Systeme kann man beimischen, um die Kurve etwas zu glätten. Doch sie bringen keine Minimierung des Risikos - und kaum eine Verbesserung der Renditen. Ich wage sogar zu behaupten (zumindest deuten unsere jüngsten empirischen Studien darauf hin) dass Short Systeme die Performance eines System of Systems nur dann (noch etwas) verbessern, wenn die Long Seite unzureichend ausgeschöpft wurde. Das bedeutet: wenn Sie aus einem guten Long Only System auf Aktien alles (sinnvolle) rausholen, werden Sie auf der Short Seite kaum mehr etwas finden, dass Ihre Performance gesamt gesehen (noch besser) macht. Denn auch short Trades nehmen den besseren Long Trades ja Geld weg. Sie können mich gerne widerlegen, denn ich berichte bloß aus unserer Erfahrung heraus. Aber auch unsere Lernkurve ist steil und wir behaupten nicht, alles zu wissen.

reak Out oder Trendfolge Modelle

 

In diesem Bereich wären eigentlich all jene Trader gut aufgehoben, die moderat performante Systeme mit weniger Risiko suchen. Denn die Natur der Modelle ist anders als bei Reversionssystemen. Man kann sich zwar auch hier kurzfristig positionieren (Break Outs mit Haltedauer 1 Bar machen durchaus Sinn) aber solche Systeme sind deutlich weniger volatil.


Ob es allerdings Sinn macht, solche Modelle als Hauptsystem anzuwenden, wage ich zu bezweifeln

 

Denn man kauft einfach andere Aktien (als bei Reversionssystemen) und es ist statistisch gesehen ein ganz anderes Marktverhalten, dass man handelt. Aktien, die einen Break Out vollziehen, tendieren scheinbar nicht dazu, kurz nach diesem Break Out abzuschmieren. Bei Reversionssystemen kommt das schon (durchaus öfters) vor.

Ob es allerdings Sinn macht, solche Modelle als Kern System (also als „Hauptsystem“) anzuwenden, wage ich zu bezweifeln. Sie dienen meiner Meinung nach eher dazu, ein Reversionssystem sinnvoll zu ergänzen. Gleiches gilt auch Trendfolger, wobei diese Ansätze natürlich eine längere Haltedauer haben. Aber Vorsicht: je länger Sie im Trade drin bleiben, desto weniger Gültigkeit besitzt Ihr Entry Signal und die Performance können Sie dann nur über den Exit steuern.

Verwenden Sie bei Trendfolgern keinen guten Exit, traden Sie bald nur noch den Gesamtmarkt. Statistiken zeigen nämlich, dass auch ein gutes Entry Signal meist nach einigen Tagen seine Wirkung verliert. Was jetzt nicht heißt, dass die Performance bei längerer Haltedauer als 4 Tage nicht (noch geringfügig) besser werden kann. Natürlich ist ein kleiner Entry Effekt auch am Tag 5 oder 6 noch vorhanden, aber man täte es besser, wenn man das Geld aus diesen Trades rausnimmt und in frische Signale hineinsteckt. Denn die Performance macht man an den Bars 1-3. Diese Tatsache verstehen aber leider nicht alle Trader.

System of Systems

 

Wenn ein solches SOS (System of Systems) unzureichend zusammengestellt ist und a) ausschließlich Reversionssysteme beinhaltet und b) ungehedgt arbeitet, potenziert sich das Risiko - natürlich mit mehr Renditechancen. Statt einer Glättung der Kurve erreicht man in Punkto Risiko/Renditeverhältnis keine wesentlich Verbesserung. Die Anlage wird performanter, aber man kauft sich mehr Risiko ein. Mehr Sinn macht es, ein SOS so zusammenzustellen, dass darin verschieden ausgerichtete Trading Modelle inkl. einem Hedging System enthalten sind.

Fortsetzung folgt!

Thomas Vittner



(28.11.2016)

Die Aktienspezialisten


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