Fabasoft über Aktionäre, die Börseplatzwahl, das Gemeinsame mit Palfinger sowie AT&S und die Herausforderungen im Tagesgeschäft (Christian Drastil)

Leopold Bauernfeind, Teil des längstdienenden Vorstandsduos bei einer österreichischen, börsenotierten AG, über Umbrüche in der Softwareindustrie, die Börse Frankfurt, Aktie und Research. Aus http://www.christian-drastil.com/fachheft34_35 .


Lieber Herr Bauernfeind, Fabasoft ist eine österreichische AG an der Börse Frankfurt. Bitte beschreiben Sie das Unternehmen kurz.
Leopold Bauernfeind: Wir sind ein Softwareunternehmen, wir machen Standardprodukte rund um das Thema Digitalisierung von Geschäftsabläufen. Das geht von Geschäftsdokumenten bei Unternehmen bis hin zum öffentlichen Bereich, wo wir bei grossen Kunden wie dem Bund, Ländern und Städten die elektronische Akte als Rückgrat von eGovernment führen. Dazu auch verschiedene Anwendungen, die zum Bürger rausgehen, oder zu Unternehmen, damit Verfahren vollelektronisch abgewickelt werden können. Es geht um Nachvollziehbarkeit, Aufbewahrung und intelligente Suchverfahren. Unser Tochterunternehmen Mindbreeze verfügt über eine atemberaubende, eigenentwickelte Technologie für semantische Suche, damit man in Millionen Dokumenten etwas finden kann, ohne den konkreten Begriff zu kennen bzw. auch sehr schnell individuelle Such-Apps erstellen kann. Wir bieten unsere Produkte sowohl für die Installation im Rechenzentrum des Kunden als auch als Cloud Services an. Ergänzend dazu gibt auch Hybridvarianten sowie Appliances. Das sind fix vorgefertigte Systeme, die beim Kunden stehen.

Zu Fabasoft Mindbreeze hat es zuletzt einen dichten und spannenden Newsflow gegeben. Auf wie viel Umsatz kommt Mindbreeze bereits?
Zuletzt hatten wir rund 1,5 Mio. Euro Umsatz, das war fast eine Verdoppelung zum Geschäftsjahr davor. Das Spannende ist, dass es nicht nur um den Kernumsatz geht, sondern es oft rundherum möglich ist, noch weitere Dienstleistungen ausserhalb von Mindbreeze als Added Value anzubieten. Es ist ein dynamisches Segment, in dem wir gute Kunden gewinnen, S´Oliver, Lufthansa und viele weitere prominente Namen, über die wir aber nicht reden dürfen. Da tut sich jedenfalls sehr viel und auch mit einer schönen und sehr erfreulichen Dynamik.

Österreich und Deutschland gelten als wichtigste Märkte …
... dazu die Schweiz, und auch in der Slowakei haben wir einen starken Partner, der Marktführer vor Ort ist. Das sind unsere vier Hauptmärkte. In Portugal und in Bulgarien sind wir ebenfalls über Partner unterwegs, aber das ist ein kleiner Teil.

Die Aktie läuft gut, mehr als 40 Prozent Plus seit Jahresbeginn, ihr seid mit AT&S und UBM ganz vorn dabei. Die Umsätze sind allerdings zurückgekommen. Was wollen Investoren von Fabasoft hören, was fragen sie?
Wir haben einen geringen Streubesitz, aber ein paar gehobene Privataktionäre, da geht es primär nicht um die nächsten sechs Monate, sondern erfreulicherweise um die nachhaltigen Themen. Diese Investoren werden nicht nervös, wenn die Aktie einmal zehn Prozent verliert, solange sie das Gefühl haben, dass die Innovationen stimmen. Z.B in Richtung Cloud Services – hier ist man in Europa ja noch viel kritischer als in den Vereinigten Staaten. Unsere Angebote beinhalten einen schrittweiseren Überstieg in die Cloud, diese strategischen Fragen stehen für die Inves­toren im Vordergrund.

Was steht im 2. Halbjahr auf dem Programm in puncto Analysten und Roadshows?
Roadshows im klassischen Sinne haben wir keine geplant, aber das Thema Coverage ist ein Punkt, der uns interessiert. Klassisch bezahltes Research ist leider nicht das, was sich der Investor unbedingt erwartet. Mir ist aber bewusst, dass ein kleiner Titel wie unserer für die grossen Häuser nur schwer zu covern ist. Wir überlegen uns da was.

Oddo Seydler ist Market Maker, ist das eine Möglichkeit für Research?
Theoretisch ja.

Ich komme nochmal auf AT&S, dazu Palfinger. Diese Namen sagen Ihnen …
….. (denkt kurz nach) …
… ich löse schnell auf. Die beiden und Ihre Fabasoft sind die einzigen Österreicher, die aus dem 1999er-IPO Jahrgang über dem Emissionskurs sind. Es war ein wilder Jahrgang mit Libro, Cybertron, YLine. Gemeinsam mit Ihrem Kollegen Helmut Fallmann bilden Sie zudem das längstdienende Vorstandsduo in einem börsenotierten österreichischen Unternehmen. Blicken Sie doch bitte auf die 16 Jahre Börsenotiz zurück.
Ja, es waren zunächst wilde Jahre. Wenn ich heute mit Startups rede, erwähne ich immer wieder, wie schnell sich ein Sentiment ändern kann; wir waren in einem extremen Schwung drinnen. 1999 sagten uns Investoren, dass wir pingelig mit unserem Geld seien, wir hätten Vollgas vermissen lassen, während z.B. eine YLine auf mehrere Hundert Mio. Euro Cap gekommen ist. Dieselben Investoren haben uns nachher gelobt, weil wir vorsichtig mit unserm Geld umgegangen sind. Wie schnell das alles drehen kann, das prägt einen schon.

Aber der Börsegang an und für sich war rückwirkend für Sie schon eine richtige Entscheidung?
Absolut. Zum einen brachte das IPO Visibilität und einen grundsätzlichen Zugang zu den Märkten, dazu kam auch das Thema, dass wir durch den Börsegang zu einer hohen Transparanz und Reportingdisziplin gezwungen wurden. Das wollten wir auch nicht aufgeben. Das hat dem Unternehmen viel gebracht, wobei auch der Aufwand nicht unerheblich ist.

Und laufend zunimmt …
Ja. Wir haben für 2014/2015 beispielsweise einen integrierten Geschäftsbericht mit Nachhaltigkeitsteil im Umfang von über 200 Seiten veröffentlicht; das wird stark zu einem Aufwands- und Kostenfaktor.

Zum Börseplatz: Ist ein Wechsel nach Wien denkbar?
Momentan haben wir ein klares Bekenntnis zu Frankfurt. 1999 waren die Argumente zweifach: Erstens, dass es in Frankfurt eine Peer Group gab, damals war das sehr wichtig, vor allem auch in puncto Vergleichbarkeit und Resarch. Hilfreich, um institutionelles Publikum anzusprechen; zweitens wollten wir uns damals auch kundenseitig stärker als Player am deutschen Markt profilieren, weil dies einen grossen Hebel für unsere Produkte bringen würde. Es war kein Marketinggag, wir sind ja nach wie vor im Prime Standard notiert, ein gehobenes Segment, das die Wertschätzung, die wir dem Frankfurter Handelsplatz geben, untermauert.

Ein klares Commitment zum Börselisting?
Ja, ausser es kommen noch so viele zusätzliche Anforderungen, dass es für ein kleines Unternehmen einfach zu viel wird. Die Argumente für dieses anspruchsvolle Listing sind aber nach wie vor stärker als jene für einen Segmentwechsel.

Was steht im 2. Halbjahr bei Fabasoft an?
Mit klassischen Ausblicken sind wir traditionell immer recht verhalten, wir haben viel Grosskundengeschäft, da besteht immer auch die Gefahr von Fluktuationen. Wir stehen ganz generell wie wohl die meisten in der Softwareindustrie vor einem Umbau unserer Revenuestruktur. Statt Einmalkauf von Lizenzen geht es in Richtung zu einem Modell kontinuierlicher Umsätze. Im alten Jahr haben das alte und das neue Modell perfekt funktioniert, das muss aber nicht immer so bleiben. Wir versuchen zu glätten und zu kompensieren, bisher ist uns der Umbau recht smooth gelungen. Wie im Geschäftsbericht geschrieben, schaut das aber smoother aus als es in Wahrheit ist. Der Umbau in der Industrie ist gross, wir haben viele Bestandskunden, wie am Schnürchen geht trotzdem nicht alles. Mir ist wichtig, dass man die Erwartungshaltung richtig formuliert. Wir wollen aus verschiedenen Quellen schöpfen.

Die Digitalisierung ist momentan das grosse Schlagwort. Ein Fabasoft-Markt?
Ja, hier liegen ja auch unsere Wurzeln. Aber auch der Markt der Digitalisierer ist im starken Umbruch, die Wertschöpfungsketten werden neu definiert, wir sind mit Mindbreeze gut aufgestellt, die Appliance ist dort ein grosses Thema. Das hätte ich vor zwei Jahren nicht so gesehen. Keine Ahnung, was wiederum in zwei Jahren sein wird. Die Zyklen der Umwälzungen im Markt werden jedenfalls immer kürzer. Früher entstand der Weg im Gehen, jetzt muss er im Rennen entstehen. Entscheidend ist, dass das Unternehmen immer wieder junge Talente begeistern kann, die dieses Tempo der Innovation mitgehen und die Zukunft mitgestalten wollen.



(15.07.2015)

Helmut Fallmann, Leopold Bauernfeind © Fabasoft


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Christian Drastil
Der Namensgeber des Blogs. Ich funktioniere nach dem Motto "Trial, Error & Learning". Mehrjährige Business Pläne passen einfach nicht zu mir. Zu schnell (ver)ändert sich die Welt, in der wir leben. Damit bin ich wohl nicht konzernkompatibel sondern lieber ein alter Jungunternehmer. Ein lupenreiner Digital Immigrant ohne auch nur einen Funken Programmier-Know-How, aber - wie manche sagen - vielleicht mit einem ausgeprägten Gespür für Geschäftsmodelle, die funktionieren. Der Versuch, Finanzmedien mit Sport, Musik und schrägen Ideen positiv aufzuladen, um Financial Literacy für ein grosses Publikum spannend zu machen, steht im Mittelpunkt. Diese Dinge sind mein Berufsleben und ich arbeite gerne. Der Blog soll u.a. zeigen, wie alles zusammenhängt und welches Bigger Picture angestrebt wird.
Christian Drastil

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