17.03.2014, 6067 Zeichen
Sehr geehrte Privatanleger,
dreieinhalb Jahre Haft für Uli Hoeneß! Ein Hammer. Und nicht ganz so zu begrüßen, wie der Großteil der Meute, die das richtig findet. Ich habe da ein differenzierteres Bild. Aber dazu später mehr. Aus dem Fall Hoeneß lassen sich etliche Lehren für normale Privatanleger schließen. Das Ganze ist zwar ein bis zwei Größenordnungen größer als bei den meisten Privatanlegern, aber von der Sache her gar nicht so anders.
Irgendwann in den 2000er Jahren hat ein Investmentbanker der Bank Vontobel Hoeneß wohl geködert. Er konnte mit den Möglichkeiten der Bank Devisenspekulationen und andere Geschäfte im großen Stil betreiben und fühlte sich privilegiert. Bei diesen Devisenwetten – vor allem Yen-Dollar – benötigt man nur ca. 10 Prozent Eigenkapital, so dass Hoeneß große Summen schieben konnte. An einem Tag hat er angeblich 18 Millionen Euro in den Sand gesetzt. In den fraglichen Jahren hat er zwischen ca. 5 und 10 Millionen Euro p.a. verdient – es könnten also schon einige 10 Millionen Euro an Eigenkapital da gewesen sein.
Hoeneß wurde angeblich vom Investmentbanking betreut, nicht vom Private Banking. Dann war er als „Profi“ eingestuft, was sicher seinem bestimmt nicht kleinen Ego geschmeichelt hat. Damit hatte die Bank aber quasi keine Aufklärungspflichten gegenüber Hoeneß. Die Bank war bevollmächtigt. Anscheinend bis zu 50.000 Transaktionen tätigte Hoeneß in den entsprechenden Jahren. So viele Transaktionen, dass es offenbar eine lange Zeit dauerte, bis die Unterlagen zusammengestellt waren. Hoeneß hat also seiner Bank blind vertraut.
Wie man Hoeneß geködert hat, ist unbekannt. Es scheint aber so gewesen zu sein, dass man ihm die Steuerhinterziehung als „Kavaliersdelikt“ schmackhaft gemacht hat – denn die Verluste sind wohl hauptsächlich in Deutschland angefallen, die Gewinne in der Schweiz. Da kann man sich ausmalen, wie Hoeneß geködert wurde: Gewinne könne er verschweigen, Verluste aber in Deutschland von der Steuer absetzen – eine quasi „risikofreie“ Strategie, bei der er nicht verlieren könne.
Nun hat er alles verloren.
Nicht nur, dass er Steuern von 20 bis 30 Millionen Euro nachzahlen muss, wofür auch ein Hoeneß am Ende wahrscheinlich bis zu einem Jahrzehnt arbeiten muss. Auch bei den Börsengeschäften hat er am Ende nichts verdient und wahrscheinlich sogar etliches Geld draufgelegt. Die Reputation ist auch futsch. Und nun muss er wahrscheinlich ins Gefängnis, wenn die Revision nichts bringt.
Ein hoch erfolgreicher Fußallmanager, ein Erfolgsmensch, der finanziell ausgesorgt hat, lässt sich auf so eine Scheiße ein. Er hat selber gesagt, dass er zeitweilig „wie besessen“ war.
Die Bank hat mit Sicherheit fürstlich verdient. Wahrscheinlich wird sie sich aus der Verantwortung hinausstehlen, denn Hoeneß wahr wahrscheinlich als professioneller Kunde eingestuft und ist damit für seine Transaktionen voll verantwortlich. Für die Steuerhinterziehung sowieso.
Hoeneß war – abgesehen von der Vorzugsbehandlung durch die Bank und dem Ausmaß der Transaktionen – ein ganz normaler Privatkunde, der den Verstand verloren hat und sich hat ködern lassen. Anderen Privatkunden stehen vielleicht nicht Devisentransaktionen in diesem Ausmaß zur Verfügung, aber sie lassen sich durch Discount-, Bonus-, Turbozertifikate oder sogenannte Aktienanleihen zu riskanten Wetten verleiten. Ich kenne etliche Privatanleger mit deutlich kleineren Vermögen, die in den heißen Jahren genauso aktienkrank – süchtig – waren wie Hoeneß.
Interessant auch, dass Uli Hoeneß und Alice Schwarzer Aufsteiger aus dem Mittelstand waren, die sich hochgearbeitet haben. Denen passiert so etwas, und die jagt man – durchaus zu recht – durch das Dorf.
Aber was ist mit den vielen Superreichen, die völlig legal wenig Steuern bezahlen, weil sie ihr Vermögen geerbt haben und es in undurchsichtige Stiftungsstrukturen stecken? Die lässt man in Ruhe! Auch seitens der Grünen und der SPD. Kein Wunder, denn viele Spitzenpolitiker der rot-grünen Koalition haben sich von der Finanzbranche kaufen lassen. Die Ungleichverteilung des Vermögens auf der Welt steigt rasant. Im Weltvermögensbericht von Oxfam oder der Credit Suisse können Sie es nachlesen Hoeneß ist mit seinen einigen zehn Millionen Euro Privatvermögen wahrscheinlich kein Superreicher. Das geht bei einigen hundert Millionen Euro los.
Sicher muss Steuerhinterziehung bestraft werden. Aber wir dürfen uns nicht hinter dem Fall Hoeneß verstecken. Wir brauchen dringend ein insgesamt gerechteres Steuersystem! Hoeneß ist sehr vermögend. Aber ein Superreicher ist er nicht. Die Superreichen machen sich die Hände nicht schmutzig. Ihr Reichtum wächst weiter. Stattdessen trifft es Aufsteiger aus der Mittelschicht. DAS ist der wahre Skandal.
Auf gute Investments! Nehmen Sie sich Hoeneß als abschreckendes Beispiel – nicht nur für die Steuerhinterziehung, sondern auch für besonders dämliche Börsenstrategien.
Auf gute Investments,
Ihr
Prof. Dr. Max Otte
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