Türkis-Grün entsorgt immerhin die eigentumsfeindliche Gestaltung der KESt (Christian Ebner via Facebook)

(CHRISTIAN EBNER) Türkis-Grün ist zwar eine neue Farbkombination, aber das Koalitionsabkommen ist weitgehend unspektakulär. Es dominieren wohlige Absichtserklärungen und No-na-Vorhaben,  vieles wird evaluiert, einiges wird verbessert bzw. bereinigt, aber es gibt auch sehr gewichtige Lücken. Insgesamt droht Türkis-Grün für Steuerzahler teuer zu werden.

Türkis-Grün entsorgt immerhin einige rot-schwarze Schnapsideen: Im Kleinen ist das die Schaumweinsteuer und im Großen die eigentumsfeindliche Gestaltung der Kapitalertragssteuer (KESt). Rot-Schwarz hatte nämlich die Spekulationsfristen von einem Jahr bei Wertpapieren und von 10 Jahren bei Immobilien abgeschafft. Da die Inflation bei der Berechnung der KESt nicht berücksichtigt wird, werden Menschen, die sich mit ihrem bereits versteuerten Einkommen längerfristig Vermögen aufbauen, dadurch faktisch mit einer Vermögenssteuer bestraft. Wenn jemand z.B. 2020 eine Immobilie um € 100.000 erwirbt und man die vorsichtige Annahme trifft, daß der Wert um durchschnittlich 3 % p.a. steigt, dann beträgt der Zeitwert im Jahr 2029 rund € 134.400 und im Jahr 2040 etwa € 180.600. Wer dann die Immobilie ganz ohne Spekulationsgewinn zum Zeitwert verkauft, muss 2030 knapp € 9.500 KESt bezahlen, 2040 € 22.200. D.h. ohne Steuerbefreiung nach einer Spekulationsfrist und ohne Berücksichtigung der Inflation wird somit eine Kapitalertragssteuer auf rein nominelle, aber nicht reale Gewinne eingehoben, was auf eine Vermögenssteuer hinausläuft. D.h. dem Bürger ist es kaum mehr möglich, sich mit seinem bereits versteuerten Einkommen ein Vermögen aufzubauen. Türkis-Grün plant nun, zumindest bei Aktien und Fonds wieder eine Spekulationsfrist einzuführen, nach deren Ablauf Wertsteigerungen von der KESt befreit werden sollen; bei Immobilien ändert sich leider nichts, wer in diese investiert, wird weiterhin  bestraft.

Bei der sogenannten Steuerreform setzt Türkis-Grün auf denselben Taschenspieler-Trick wie die Vorgängerregierungen: Die kalte Progression. Inflation, Lohnerhöhungen und die stark progressive Einkommenssteuer sorgen dafür, daß bei jeder Einkommenserhöhung die Steuerlast automatisch steigt, weil ein immer größerer Anteil des Einkommens in höhere Steuerklassen fällt. Die neue Regierung plant nun eine klassische Tarifreform, um die räuberische Wirkung der kalten Progression wieder auszugleichen: die ersten drei Tarifstufen (25/35/42 Prozent) werden auf 20/30/40 Prozent gesenkt und der Familienbonus von € 1.500 auf 1.750 pro Kind erhöht. Im Koalitionsabkommen ist zwar die Evaluierung der Abschaffung der kalten Progression vorgesehen, dieser Punkt ist aber so weich formuliert, wonach jedem klar sein muss, daß sie bleiben wird.

So wie Türkis-Blau wird auch Türkis-Grün keine nennenswerte Pensionsreform, Gesundheitsreform oder Föderalismusreform durchführen. Das hat zur Folge, daß die daraus resultierenden, massiven Belastungen für die Steuerzahler, weiter ansteigen werden. Im Unterschied zu Schweizern und Niederländern werden wir uns weiterhin weder Kranken- noch Pensionsversicherung aussuchen können, d.h. es gibt weiterhin keinen Wettbewerb und das System der ständestaatlichen Zwangssozialversicherung inklusive Mehrfachversicherungen bleibt.

Türkis-Grün wird zwar nichts einsparen, aber im Gegenzug die Staatsausgaben massiv steigern, insbesondere durch den massiven Ausbau der Ausgaben für Infrastruktur, öffentlichen Verkehr, Umweltprojekte und –förderungen. Den Preis dafür werden wir in Form von neuen und höheren Steuern bezahlen, die im modischen grünen Mäntelchen daherkommen. Die geplanten CO2-Steuernwerden zwar sicher nichts am globalen Klimawandel ändern (Österreich ist bekanntlich ziemlich klein), aber sie werden als Allzweck-Waffe für das Stopfen von Budgetlöchern dienen, wobei erst 2022 klar sein wird, wie hoch die CO2-Steuern ausfallen werden und wer wie stark betroffen sein wird.

Hinsichtlich der Asyl-Politik beschränkt sich Türkis-Grün im Wesentlichen darauf, die Früchte der türkis-blauen Reformen zu ernten. Insbesondere die Verstaatlichung der Rechtsberatung für Asylwerber hat das Potential, die Asyl-Verfahren zu verkürzen, die Zahl der Abschiebungen zu erhöhen und insgesamt die Belastungen für Österreich zu reduzieren.

Wirtschaftspolitisch gibt es eine Maßnahme, die geeignet ist, dafür zu sorgen, daß mehr Investitionen in Österreich statt im Ausland erfolgen: die Senkung der Körperschaftsteuer (KöSt) von 25 auf 21 Prozent (wobei zu erwähnen ist, wonach Rot-Schwarz im Jahr 2016 die KESt auf ausgeschüttete Gewinne von 25 auf 27,5 Prozent erhöht hat). Allerdings wird diese Maßnahme dadurch konterkariert, daß investitionswillige Unternehmen bis 2022 nicht wissen, inwieweit sie von neuen CO2-Steuern betroffen sein werden. Äußerst negativ ist auch, daß sich die neue Regierung keine Reformen vorgenommen hat, die zu einer Senkung der sehr hohen Lohnnebenkosten führen würden.

Das Koalitionsabkommen sieht ein paar kleinere Verbesserungen für Kleinbetriebe vor, wie die Senkung des Mindeststammkapitals für GmbHs auf € 10.000 und die leichtere Absetzbarkeit von Arbeitszimmern.

Es gibt allerdings ein Vorhaben, deren Umsetzung für einen Aufschwung bei den Klein- und Mittelunternehmen (KMU) sorgen würde: eine klare und praktikable Abgrenzung von selbständiger und unselbständiger Erwerbsarbeit, verbunden mit einem Recht auf Selbständigkeit. Derzeit können Selbständige gegen ihren Willen rückwirkend zu Angestellten erklärt werden (Zwangsanstellungen) und zwar durch die Betriebsprüfer der Krankenkasse und der Finanzämter, die dadurch ihr Prüfergebnis deutlich verbessern könnten, weil rückwirkend Honorare inklusive Umsatzsteuer zu Nettolöhnen werden, für die rückwirkend Sozialversicherungsbeiträge und u.a. lohnabhängige Abgaben kassiert werden können.

Das Problem ist nicht nur, daß die Abgabenabgabenbehörden als Ermittler, Kläger, Richter und Begünstige entscheiden, wer selbständig ist, das Problem ist auch, wonach dies auf einer sehr unbestimmten rechtlichen Grundlage erfolgt, die der Willkür Tür und Tor öffnet.

Für die Auftraggeber führt dies zu oft ruinösen Nachzahlungen. Dieses massive rechtliche Risiko hat dazu geführt, daß Auftraggeber verstärkt ausländische Selbständige beauftragen oder dieselben ehemaligen Selbständigen bei Bedarf tageweise anstellen. Letzteres bedeutet für den Auftraggeber mehr Verwaltungsaufwand, für den nunmehr tageweise Angestellten aber, daß netto weniger vom Bruttoentgelt bleibt und Nachteile entstehen hinsichtlich Pensions- und Krankenversicherung, da dieser im Laufe der Zeit immer wieder tageweise angestellt bzw. arbeitslos ist. Dies bewirkt auch, daß die Abgaben bei der tageweisen Abrechnung zu hoch angesetzt werden, was erst durch den Jahresausgleich korrigiert wird. Es handelt sich hierbei keinesfalls um ein Randthema, laut einer Umfrage, die von der Fachgruppe UBIT (Unternehmensberatung, Buchhaltung, Informationstechnologie) der Wirtschaftskammer Wien unter ihren ca. 22.000 Mitgliedern durchgeführt wurde, führen 29,5 Prozent der sogenannten gemeinsamen Prüfungen der lohnabhängigen Abgaben (GPLA) durch Finanzämter und Gebietskrankenkassen zu Nachzahlungen infolge von Zwangsanstellungen, dies vor dem Hintergrund von österreichweit rund 26.000 GPLA-Prüfungen pro Jahr.

Hinsichtlich der Umsetzung des Regierungsvorhabens kann die Fachgruppe UBIT Wien der neuen Regierung bereits ein fertiges Konzept zur Verfügung stellen, welches einstimmig von allen Fraktionen angenommen wurde: https://www.wko.at/branchen/w/information-consulting/unternehmensberatung-buchhaltung-informationstechnologie/Positionspapier-Erwerbstaetigkeit.pdf

Die Bürokratie, die mangelnde Rechtssicherheit und die eher schlecht als recht funktionierende Justiz sind generell massive Probleme für Unternehmen. Seitens Türkis-Grün gibt es hier eine Serie von Absichtserklärungen – die Schuldvermutung (=Beweislastumkehr) für Unternehmer, Unternehmen und Geschäftsführer wird aber bleiben.

Österreich könnte unter Türkis-Grün insgesamt etwas wirtschaftsfreundlicher werden, wie tief die Einschnitte durch das Damokles-Schwert CO2-Steuer ausfallen werden, steht in den Sternen – die Rechnung kommt zum Schluss.

Christian Ebner ist Unternehmensberater, Funktionär der Wirtschaftskammer Wien und Obmann von FreeMarkets.AT

 

 


(07.01.2020)

KÖSt, KESt, ESt, USt ... Frust?, (© Michaela Mejta + diverse Handypics)


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