Drastils Börsenbrief: Buwog bleibt auch nach dem Durchmarsch heiss (Christian Drastil)

In dieser Ausgabe schreibe ich über die Initiative für mehr Börsengänge in Österreich, die inspiriert durch den KMU-Börse-Vorstoss des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW) einen fixen Platz in Drastils Börsenbrief einnehmen wird. Als bestes Börsengangs-Vorbild kann man sicher die Buwog sehen, obwohl es hier zum Start am 28. April 2014 gar keine Platzierung junger Aktien gegeben hat (also kein echtes IPO), sondern es sich vielmehr um eine Abspaltung aus der Immofinanz handelte. Meines Erachtens kann ein Going Public im Nachklang aber sowieso auch nur dann als erfolgreich durchgehen, wenn ein entsprechendes Being Public nachfolgt. Und Buwog-CEO Daniel Riedl, der ja von der Immofinanz schon einiges an Kapitalmarkterfahrung mitgebracht hatte, war von Anfang an „into it“. Dass die Rolle des CEOs eine andere sei, war ihm bewusst. Eingestellt hat er sich mit einem immer noch gültigen Frankfurt-Rekord, was die Länge des Läutens der Opening Bell für das Listing betrifft. Und ja, er war bekannterweise auch der Erste, der für mein „Bringen-wir-die-Börse-doch-in-neue-Kreise“-Projekt www.openingbell.eu die Glocke in die Hand genommen hat. Solche Soft Facts merkt man sich, wie auch Privatanlegertage, die als fixer Bestandteil gelten. Hard Facts gibt es neben dem Aktienkurs, der seit Listing bei fast 100 Prozent Plus liegt, ebenso einige, zB den Durchmarsch in den Indizes: Bereits eine Woche nach der Notiz ist die Buwog von der European Property Real Estate Association (EPRA) in den FTSE EPRA/NAREIT Developed Europe Index aufgenommen worden. In einem Schnellverfahren hatte man sämtliche Zulassungskriterien der EPRA für eine Index-Aufnahme erfüllt. Ebenso bei erster Gelegenheit, nämlich zum September-Verfall 2014, wurde man in den ATX aufgenommen. Die Kriterien konnten locker erfüllt werden. 

Und jetzt, zwei Jahre später, vertritt die Buwog den Immo-ATX (in dem man bereits künstlich etwas zurückgestutzt werden muss) im ATXFive und gehört erstmals zu den fünf grössten börsennotierten Gesellschaften Österreichs. Beim ATXFive geht es rein um die Kapitalisierung und es war ein Head-to-Head-to-Head-Dreikampf mit just der Immofinanz und der Wienerberger , mit deren Vorständen Riedl ja noch vor zwei Jahren im gleichen Büroturm am Wienerberg gesessen ist. Allzu sehr schwitzen musste Riedl aber trotzdem nicht, denn nach der jüngsten und finalen Umplatzierung durch die Immofinanz war klar absehbar, dass sein Buwog-Streubesitzfaktor von davor 0,8 auf zumindest 0,9 gehen würde, man sich so ein einen weiteren Boost von 12,5 Prozent (0,9/0,8) schaffen würde. Letztendlich setzte es für die Buwog sogar die glatte 1,00 beim Streubesitzfaktor. Ich persönlich sehe es als Auszeichnung, wenn ein Unternehmen sich reine Publikumsgesellschaft nennen darf. Im ATX gibt es jetzt zwei davon: Neben der Buwog die Wienerberger, von der die Buwog den ATXFive-Platz nun übernehmen durfte. Und noch ein kleines Bonmot: Insgesamt 10x schaffte es 2016 ein ATX-Titel, an einem Handelstag auf mehr als 100 Mio. Euro Tagesumsatz zu kommen …

1.  24.06.16 Erste Group 158.472.154
2.  31.08.16 Erste Group 138.042.760
3.  16.09.16 Erste Group 124.266.773
4.  08.06.16 Erste Group 123.391.501
5.  27.06.16 Erste Group 121.942.210
6.  14.07.16 Erste Group 121.090.941
7.  17.06.16 Erste Group 111.569.701
8.  09.02.16 Erste Group 105.423.136
9.  18.03.16 Erste Group 104.481.723
10.  09.06.16 Buwog  103.552.466

… also 9x Erste Group und 1x Buwog – der 9.6. war jener Tag, der letztendlich den Streubesitz von 1,00 aufbereitet hat. Im Dow Jones gibt es übrigens ein identes Bild mit anderer Dimension. Dort bilden 9x Apple und 1x Pfizer die Top10-Tagesumsätze. Zu den Dimensionen: Die beiden grössten Apple-Tagesumsätze 2016 zusammengerechnet ziehen mehr Volumen auf sich als der komplette ATX (alle 20 Titel) im bisherigen 2016er-Verlauf. Und noch etwas: Die o.a. 158 Mio. der Erste Group liegen bei weniger als der Hälfte des Immofinanz-Bestwerts aus dem Vorjahr, als an einem einzigen Handelstag 360,85 Mio. Euro umgesetzt wurden. Am gleichen Tag setzte es bei der VIG 267,59 Mio. Euro Volumen. Grund: Die jährliche Umstellung der MSCI-Indices, die am letzten Handelstag im Mai stets zu gewaltigen Handelsspitzen führt und das Investmenthaus Morgan Stanley in der Umsatzstatistik weit nach vorne spült. Heuer ist dieser Effekt ausgeblieben, denn in den MSCI Österreich Indices ist es zu keinerlei Umstellungen gekommen. Das ist ein Mitgrund, warum die Handelsumsätze an der Wiener Börse in den Monaten 1-8 / 2016 verglichen mit dem Vorjahr um ca. 7 Prozent zurückgegangen sind. Für Zusatzliquidität im Orderbuch der Buwog-Aktien sorgen übrigens die Raiffeisen Centrobank als Specialist sowie die Market Maker Baader Bank, Erste Group Bank, Hudson River Trading Europe, Société Générale S.A., Spire Europe Limited und Wood & Company Financial Services.

Fazit: Die Buwog-Aktie lag zu Redaktionsschluss bei ca. 23,5 Euro, seit Jahresbeginn ein Plus von 17,6 Prozent und das bei einem ATX, der ytd im Minus liegt. Unnützes Wissen am Rande: Während sich die anderen Wochentage miteinander fast auslöschen, macht die Buwog fast ihr gesamtes Plus an Freitagen, hier geht es im Schnitt um 0,45 Prozent nach oben. Was mir gefällt, ist, dass Riedl im Gespräch immer wieder auf sein tolles Team hinweist. Wie geht man jetzt mit einer Aktie um, die bisher eigentlich – von ein paar Schlenkerern abgesehen – nur die Aufwärtsrichtung kannte? Ich denke, man kann weiter investiert bleiben, denn das Umfeld für Geschäftsmodelle wie die Buwog ist gut. Freilich helfen aktuell Bewertungsergebnissse, aber auch in den kommenden Zahlen sollte es operativ gut aussschauen, denn die Buwog verfolgt einen Ansatz, der doch ein wenig Alleinstellungsmerkmal ist. Ca, 2/3 der neuen Wohnungen gehen in den Verkauf, jedoch 1/3 in den Bestand. Buwog kauft also zu den aktuell hohen Preisen tendenziell nicht zu, sondern nimmt Developments in den Eigenbestand, das muss daher nicht teuer kommen. Riedl erwähnt neben dem Klassiker Berlin auch stark Hamburg. Man will dort Wohnraum errichten, nicht mit Grundstücken spekulieren, Stichwort „Charme den Stadtoffiziellen gegenüber“. Und das lästige Gerichtsverfahren? Buwog ist als damals verkauftes Unternehmen halt jenes, das dem Skandal den Namen gibt, aber selbst nicht involviert, was die Aktionäre mittlerweile kapieren. Bei der breiten Masse sieht es, fürchte ich, noch anders aus. Riedl meint dazu, dass any news good news seien und sieht das als Gratis-PR. Im ernsten Nachsatz hofft natürlich auch er, dass man die Geschichte bald zu den Akten legen kann.

HINWEIS: Dieser Text stammt aus der Nullnummer von "Drastils Börsenbrief", der am 23.9. der kompletten Auflage von Medianet beigelegt ist. PDF unter http://www.boerse-social.com/fachheft downloadbar.



(22.09.2016)

Drastils Börsenbrief unter http://www.boerse-social.com/fachheft downloadbar


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Christian Drastil
Der Namensgeber des Blogs. Ich funktioniere nach dem Motto "Trial, Error & Learning". Mehrjährige Business Pläne passen einfach nicht zu mir. Zu schnell (ver)ändert sich die Welt, in der wir leben. Damit bin ich wohl nicht konzernkompatibel sondern lieber ein alter Jungunternehmer. Ein lupenreiner Digital Immigrant ohne auch nur einen Funken Programmier-Know-How, aber - wie manche sagen - vielleicht mit einem ausgeprägten Gespür für Geschäftsmodelle, die funktionieren. Der Versuch, Finanzmedien mit Sport, Musik und schrägen Ideen positiv aufzuladen, um Financial Literacy für ein grosses Publikum spannend zu machen, steht im Mittelpunkt. Diese Dinge sind mein Berufsleben und ich arbeite gerne. Der Blog soll u.a. zeigen, wie alles zusammenhängt und welches Bigger Picture angestrebt wird.
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