Es geht ja nur ums Öl (Wolfgang Matejka)

Die letzte Woche war eine Woche der vorgetäuschten Enttäuschungen. Zuerst wurde die EZB getadelt weil sie nicht wie die letzten Male geübt erneut ein Zuckerl mehr aus der Bilanztüte hervorgezaubert hat, dann kam die OPEC dran, die mit Beharren auf hohen Förderquoten, den Ölpreis erneut auf historische Tiefs nach Unten schob. Beiden Ereignissen ist diese Interpretation der Enttäuschung inne, doch beide hatten auch im Vorfeld interessante Vorkommnisse im medialen Umfeld. So schuf fünf Minuten vor Veröffentlichung der EZB-Beschlüsse die Financial Times Unklarheit in dem sie berichtete die EZB würde alles beim Alten lassen. Völlig falsch, weil fünf Minuten später Zinssenkung und QE-Ausweitung verkündet. Den Märkten war dies schon egal, weil bereits im Fast-Forward-Modus der DAX verkauft wurde. Und kurz vor den OPEC Veröffentlichungen gab es widersprüchlichste Meldungen bezüglich der Veränderung der Förderquoten bis dann offiziell der Stillstand in den Beschlüssen veröffentlicht wurde. Man spielt wieder mit den Märkten und das auf nahezu unverschämte Art und Weise. Jedenfalls habe ich niemanden nach Kompensation rufen hören der im Sog der fallenden Märkte einen Wertverlust erlitten hatte.

Anyhow, das Öl ist das Thema (Rohstoffe generell natürlich auch, aber da würde der Blog zu lange werden). Und dieses Öl ist so billig wie schon lange nicht mehr. Die Beschlüsse der OPEC mögen den Rutsch wieder ausgelöst haben, so nachhaltig wie noch vor einem Jahr mag er aber nicht ausgeprägt sein, denn innerhalb der OPEC regen sich schon etliche Gegenstimmen die es sich bei diesem Preisniveau einfach nicht mehr leisten können an Wert zu verlieren. Halb Südamerika, Afrika und auch einige asiatische Staaten sind hier verzweifelt vertreten. Russland hat sich dabei  noch kaum zu Wort gemeldet. Doch gerade Russland hat mit dem sinkenden Ölpreis mehr Probleme als es zugibt. Die russische Wirtschaft leidet vielleicht vordergründig unter den Sanktionen der EU, in Realiter zehren aber die schwachen Deviseneinnahmen aus dem Öl- und Gasexport am Budget. Den Rubel als Gegengewicht immer stärker abwerten zu lassen mag in Relation zum US-Dollar-denominierten Öl funktionieren, für den Rest der Wirtschaft bedeutet dies aber enorme Belastungen. Berechnungen zufolge bekommt gerade Russland mit einem Ölpreis von 30 US-Dollar ernsthafte wirtschaftliche Schwierigkeiten die durch Devisenreserven nicht mehr zu puffern sein würden. Trotzdem übt sich Russland in Konfrontation und bläst zum Beispiel im Streit mit der Türkei die Pipeline Turkish-Stream einfach ab. Auch wenn’s selbst weh tut.

Für den Ausblick auf den Ölpreis bleibt die Tatsache, dass die zuvor so offensiv auftretenden US-Schieferölproduzenten mittlerweile ziemlich dezimiert und ruhig geworden sind. Die Abschwächung des globalen Wirtschaftswachstums hat wohl nach wie vor den stärksten Einfluss darauf, dass die Nachfrage das Anbot noch immer nicht abdeckt, was wiederum ein Beharren auf hohen Förderquoten zum Bumerang werden lässt. Interessant auch, dass es einem Europa bisher nicht sichtbar gelungen ist aus diesem Preisvorteil ein stärkeres Wachstum zu generieren. Ein Hinweis auf die nach wie vor in Stasis verharrende Politik. Reformen oder Wachstumsoffensiven im besten Fall leere Versprechen. Da nützt es auch nichts andauernd von einem Mario Draghi Wunder zu fordern, obwohl die EZB die einzige Notenbank ist, die in ihrem QE negative (!) Renditen eingekauft hat. Japan und die FED haben das nämlich unterlassen. Was soll der Gute denn noch alles machen? Und ewig mit dem Finger auf China zu zeigen nützt genauso wenig. Es wird Zeit, dass wir endlich auch einen Nutzen aus dem tiefen Öl ziehen dürfen und uns nicht wie ferngesteuert über den Fake an der Tankstelle freuen wo uns ein in Wirklichkeit extrem überteuerter Preis als Schnäppchen verkauft wird, nur um die Steuereinnahmen darauf zu optimieren. So gut wie derzeit haben die Ölfirmen nämlich noch selten an der Zapfsäule verdient. Genau das gleiche Bild bei nahezu sämtlichen Energiepreisen. Von billig keine Spur, obwohl die Basiskosten massiv gesunken sind.

Es wäre höchste Zeit daran etwas zu ändern um daraus endlich Nutzen ziehen zu können. Der Markt hat jedenfalls nicht viel Hoffnung, dass sich diese Preissituation bald ändert. Hedgefunds haben mittlerweile die rekordverdächtige Summe von 300 Millionen Barrel Röhöl leer verkauft.



(09.12.2015)

Bohrinsel, Meer, Industrie, Rohstoffe, Plattform, Öl, Gas, Thailand, http://www.shutterstock.com/de/pic-110796884/stock-photo-the-offshore-oil-rig-in-the-gulf-of-thailand.html, (© www.shutterstock.com)


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Wolfgang Matejka

Über 30 Jahre einschlägige Erfahrung im Bankwesen, davon über 15 Jahre in Führungspositionen

  • seit 07/2013 Chief Investment Officer der Wiener Privatbank SE
  • seit 07/2010 Geschäftsführender Gesellschafter der Matejka & Partner Asset Management GmbH
  • 02/2010 - 07/2010 Geschäftsführer der Oscar Investment GmbH Wertpapierfirma
  • seit 10/2009 Geschäftsführer der Matejka Beteiligungs GmbH, Erwerb, Verwaltung, Entwicklung und Veräußerung einer Beteiligung
  • 09/ 2009-10/2009 Vorstand der Q1 Capital Management AG, Unabhängiges Multi-Manager-Investmenthaus mit Sitz in Wien
  • 06 / 2009-10/2010 GF Sparrow GmbH. (Einzelgesellschaft) – Geschäftsgegenstand: Erwerb, Verwaltung und Entwicklung von Beteiligungen
  • 04 / 2006: GF Julius Meinl Investment GmbH
  • 03 / 2004: CIO Meinl Bank AG
  • 05 / 2002: Vst. Bank Vontobel Österreich AG
  • 01 / 1999: GF Allianz Invest KapitalanlagegesmbH.
  • 07 / 1994: Investment & Trust Bank (nunm. Allianz Investment Bank AG)
  • 04 / 1990: Länderbank Capital Markets GmbH.
  • 10 / 1981: Österreichische Länderbank AG
  • Matura (Naturwissenschaftl. Realgymnasium), CEFA, div. Fachseminare

>> http://wolfgang-matejka.com


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