Was haben Strafzinsen mit Sozialismus zu tun? (Max Otte)

Sehr geehrte Privatanleger,

nun werden punktuell auch schon Strafzinsen auf größere Privatvermögen erhoben. Deutlicher kann die Bankrotterklärung für das gegenwärtige System des billigen Geldes nicht ausfallen.

Das Wort Sozialismus ist mit (mindestens) zwei Bedeutungen belegt. Für die wenigen verbliebenen Anhänger stellt der Sozialismus ein solidarisches und menschengerechtes System dar. Für die Mehrheit ist er gleichbedeutend mit Faulheit, Ineffizienz, Verschwendung und Vetternwirtschaft. Aber Vetternwirtschaft gibt es im Hyperkapitalismus auch, wo Politiker und die großen Finanzmarktakteure eine Allianz gegen die Sparerinnen und Sparer eingegangen sind.

Die Soziale Marktwirtschaft war gleichzeitig leistungs- und gemeinwohlorientiert. Sie hatte also Züge eines richtig verstandenen Sozialismus. Das zeigt sich zum Beispiel im Paragraphen 14 des Grundgesetzes über das Eigentum:

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz (...) er-folgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. (...)

Eigentum wurde eben nicht absolut gesetzt, wie es heute der Fall ist, sondern soll dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Heute sind wir im Bereich der grenzenlosen Privatisierung. Das Gesundheitssystem in den USA ist viel teurer als das Europäische – bei oft schlechteren Leistungen, gerade WEIL es voll privatisiert ist. Krebsbehandlungen kosten bis zum Dreifachen, weil es keine Krankenkassen gibt, die günstige Tarife aushandeln können.

Der Eigentumsparagraph des Grundgesetzes wird immer mehr unterlaufen. Eigentum dient eben nicht mehr dem Wohle der Allgemeinheit; hemmungslose Bereicherung ist an der Tagesordnung. Und die Bereicherung bei Investmentbanken und spekulativen Finanzmarktakteuren auf Kosten der Sparerinnen und Sparer geht weiter.

Strafzinsen sind ein Ausfluss der missglückten Politik der letzten Jahre, der Kaperung der Politik durch die Investmentbanken, an der sich auch in den Jahren nach der Finanzkrise wenig geändert hat. Eine leistungsorientierte und solidarische Gesellschaft – das ist kein Widerspruch! – sieht anders aus.

Das gegenwärtige System kommt langsam an sein Ende. Allerdings haben sich durch die Tatsache, dass über elektronischen Zahlungsverkehr die Märkte nun besser steuer- und manipulierbar sind als im real existierenden Sozialismus, die Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten erheblich er-höht. Es kann also sein, dass wir noch etliches mehr an Zwangswirtschaft ertragen müssen.

Als Bürgerinnen und Bürger können Sie sich nur durch eine vernünftige Anlagestrategie wehren. Der Staat wird vor allem da zugreifen, wo es etwas zu holen gibt und wo er die großen Finanzvermögen NICHT angreift: das sind vor allem Sparvermögen und Immobilien. Aktien und Gold sind aus meiner Sicht auch in dieser Hinsicht deutlich sicherer, weil die Bestände viel kleiner sind, es weniger zu holen gibt, und diese Vermögensgegenstände sich auch in den Portfolios der sehr Reichen befinden.

Auf gute Investments!

Ihr

Prof. Dr. Max Otte

 

 

 [1] Die Aktie befindet sich im Max Otte Vermögensbildungsfonds (WKN: A1J3AM) und im PI Global Value Fund (WKN: A0NE9G)

Anm.: Max-Otte-Audiofiles (je ca. 30 Min.) auf der Finanz Literacy Laufapp "Runplugged", siehe http://runplugged.com/spreadit .

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(17.11.2014)

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Max Otte

Prof. Dr. Max Otte promovierte in Princeton und lehrte Betriebswirtschaft an den Hochschulen/Universitäten Worms, Boston, Würzburg und Graz.
Seit 15 Jahren hat er sich voll und ganz dem Privatanleger verschrieben. Sein Ziel: 
Eine bankenunabhängige und nachvollziehbare Aktienanalyse auf Basis wertorientierter Kapitalanlage. Kern seines Strategieansatzes ist die von ihm entwickelte Methode der Königsanalyse®.
In seinem Buch „Der Crash kommt“ prognostizierte Max Otte bereits im Sommer 2006 die internationale Finanzkrise von 2008. Daneben hat der dreimalige „Börsianer des Jahres“ mehr als ein Dutzend weiterer Bücher sowie zahlreiche Artikel in Zeitungen und Fachblättern veröffentlicht. Regelmäßig wird er von den Medien zu Anlage- und Währungsfragen interviewt.
Max Otte ist Gründer der in Köln ansässigen IFVE Institut für Vermögensentwicklung GmbH, die seinen wöchentlichen Börsenbrief Der Privatinvestor herausgibt, sowie Gründer und Mitglied im Verwaltungsrat der in Zug (Schweiz) ansässigen Privatinvestor Verwaltungs AG. Der PI Global Value Fund, der Max Otte Vermögensbildungsfonds und der Max Otte Multiple Opportunities Fund werden gemäß seiner Strategie der Königsanalyse® verwaltet.

>> http://www.der-privatinvestor.de


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