03.03.2013,
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Das Leben hält ja nicht immer, was es verspricht. Unterm Strich gesehen ist das auch sehr erfreulich, weil es andernfalls ziemlich langweilig wäre. Was nicht heißt, dass man auf die eine oder andere Überraschung nicht liebend gern verzichten würde. Wer zum Beispiel gern Pferdefleisch verspeist, greift im Geschäft üblicherweise nicht zur Rindfleischlasagne, sondern steuert bewusst den nächstgelegenen Pferdefleischer an. Ganz nett wäre es natürlich auch, wenn als „bio“ deklarierte und verkaufte Eier auch solche wären (auch wenn noch nicht ganz klar ist, was man sich eigentlich unter Nicht-Bio-Eiern vorzustellen hat – künstliche?). Mit Schimmelpilz verseuchtes Tierfutter macht den Braten bestimmt auch nicht besser, und vermutlich wäre es kein großer Fehler, „natürliches“ Joghurt ohne synthetisches Vanillin auskommen zu lassen.
Nun könnte man natürlich fragen, ob die immer tiefer im Staatsschuldensumpf versinkenden Bürger nichts Besseres zu tun haben, als geradezu hysterisch über den Austausch von Rind- durch Pferdefleisch zu diskutieren. Vermutlich wäre der Skandal ja auch kein Skandal, wenn nicht Fohlen in die Bolognese gewandert wären, sondern Enten. Das ändert aber nichts daran, dass wir es hier mit einem groß angelegten Betrug zu tun haben, der alles andere als lächerlich ist. Wer sich leidenschaftlich darüber echauffiert, dass der Staat bei der Budgeterstellung trickst und großflächig Schulden versteckt, wird kaum einen vernünftigen Grund nennen können, warum der gezielte Etikettenschwindel in der privaten Nahrungsmittelproduktion weniger schlimm sein soll. Wer Rind kassiert, soll auch Rind liefern. Vielmehr wäre dazu eigentlich nicht zu sagen.
Die Marktwirtschaft war’s! Echt jetzt? Es sei denn, man verdiente sein Geld in einer Bauernlobby. Dann würde man die Ungunst der Stunde nutzen, um die Perversionen der industriellen Nahrungsmittelproduktion anzuprangern. Eines ruchlosen Gewerbes, das bei der Herstellung seiner Produkte den letzten Cent herauspresse, wie Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) vergangene Woche monierte. Mit anderen Worten: Deshalb müsse es zu derartigen Skandalen kommen. Die gnadenlose Ökonomisierung der Nahrungsmittelherstellung ist nach Ansicht der Bauernvertreter ja auch der Grund dafür, dass Tiere durch halb Europa gekarrt werden, um andernorts geschlachtet, verarbeitet und wieder zurücktransportiert zu werden. Meist in Form eines tiefgefrorenen Fleischklumpens, der dann völlig unkenntlich irgendwo auf dem Teller landet.
Warum man so etwas macht? Weil die Marktwirtschaft genau danach verlange. Wegen viel zu niedriger (weil von der Allgemeinheit subventionierter und deshalb nicht ehrlich gerechneter) Transportkosten donnerten die Lastwagen quer durch den Kontinent, um alle sich bietenden Kostenvorteile auszunutzen. Eine bemerkenswert originelle Deutung der ganzen Sache. Schließlich wird ja kaum jemand in Abrede stellen, dass auch der billigste Transport noch immer viel teurer käme als jeder Nichttransport.
Großzügig unerwähnt lassen die Herren Bauernvertreter auch die Folgen der gnadenlosen „Entökonomisierung“ der europäischen Agrarindustrie. Die Sache läuft nämlich so: Zuerst wird die Herstellung von Futtermitteln kräftig gefördert, um diese in die Tröge der ebenfalls ausgiebig subventionierten Schlachttiere zu schütten. Das subventionierte und überschüssige Fleisch wird in immer stärkerem Ausmaß über die Grenze geschafft, nicht selten landen die Tiere dann in Großschlachthöfen, die ihrerseits von regionalen Stellen gefördert werden – so sie nur groß genug und möglichst schwach ausgelastet sind. Diese Schlachtereien liegen nicht nur in Osteuropa. In Niedersachsen tobt gerade eine heftige Debatte darüber, ob das Land den großen Schlachthöfen nicht besser den Förderhahn zudrehen soll.
Um die ganzen Missbräuche abzustellen, wird von der Republik Österreich nun ein „europäischer Reisepass“ für alle Nahrungsmittel gefordert. Damit die Kunden sofort sehen: Aha, was nicht aus Österreich kommt, ist grundsätzlich verdächtig (eine interessante Interpretation der europäischen Idee übrigens). Warum derartige Reisepässe nicht ebenso gefälscht würden wie derzeit tausende Frachtpapiere, konnte noch nicht hinlänglich geklärt werden.
Was also tun? Wer nur Fleisch von ordentlich gehaltenen Tieren aus der Nähe verspeisen will, wird nicht darum herumkommen, den ausufernden Subventionssumpf in der Landwirtschaft trockenzulegen und mehr für das Produkt zu bezahlen. Statt neue Handelshemmnisse einzufordern wäre es vielleicht auch eine ganz gute Idee, dem grassierenden Etikettenschwindel mit stärkeren Kontrollen und drakonischen Strafen für die Betrüger zu begegnen. Würden das Staaten durchsetzen, die es mit der Prospektwahrheit selbst nicht so genau nehmen („Ausgeglichener Haushalt über den Konjunkturzyklus“, „Wir haben nie spekuliert!“ usw.), wäre das freilich eine Überraschung. Aber das Leben hält ja nicht immer, was es verspricht. (Presse)
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