Freuen wir uns nicht zu früh auf Draghi - schon anderen Zauberern wuchs das Geschaffene über den Kopf

Mario Draghi, matthi / Shutterstock.com , matthi / Shutterst    >> Öffnen auf photaq.com



Draghi hat noch nie gehandelt. Diesmal?

Können Sie sich noch an Alan Greenspan erinnern? Früher hieß er auch Magier der Märkte, doch diesen Rang hat ihm Mario Draghi längst abgelaufen. Denn Draghi musste noch nie wirklich etwas tun. Es reichte wenn er ankündigte, dass er etwas tun werde, wenn’s drauf ankommt. Im Vergleich zu den USA oder Japan hat Draghi/die EZB aber eigentlich nur die Hände in den Schoß gelegt. Auch diesmal reichte die Ankündigung ein ABS-Aufkaufprogramm zu überlegen, die verunsicherten Märkte zu beruhigen.

Obwohl manch' Europäer sich angesichts der Ukraine-Krise ein wenig an die Zeiten des kalten Kriegs zurück erinnert fühlt. Obwohl sich Israelis und Palästinenser die Köpfe einschlagen. Obwohl der erdölreiche Nahe und Mittlere Osten einem Pulverfass gleicht. Afghanistan gibt’s in den Augen der Weltöffentlichkeit gar nicht mehr. In Pakistan und Indien gibt’s Jahrhundert-Fluten, keinen juckt’s - um in die Randspalten der Gazetten zu kommen, können in Nigeria gar nicht mehr genug Kinder entführt werden - Ebola schafft’s gerade noch, wenn in der Heimat selbst ein Fall befürchtet wird ....

Diesmal kann es Draghi aber nicht mehr beim einfachenWirken lassen seiner Worte belassen. Die Märkte fordern vehement, dass die Super-Bazocka ausgepackt wird. Wenn nicht, wird das Geheul groß sein. Und vor allem an risky Märkten wird das Gezeter besonders groß sein. Denn Aktien preisen ja immer die Zukunft ein, heißt es. Und eingepreist ist die Super-Bazocka. Nur so ist zu erklären, dass sowohl Aktien wie auch Anleihen jeweils Rekordniveaus erklommen haben. Seit ewig geltende Korrelationen sind aufgehoben – eigentlich müsste man Harry Markowitz den Nobelpreis wieder aberkennen.

Warum Super-Bazocka? Weil Draghi und Co nichts anderes mehr übrig bleibt. Mit Daten belegt ist die ungünstige Wachstumsdynamik: Die Eurozone stagnierte im Q2. Inklusive Deutschland verzeichneten rund zwei Drittel der Eurozone negative Wachstumsraten. Gleichzeitig sank die Inflationsrate auf den neuen Tiefpunkt von 0,4%, weit entfernt von der angestrebten Zielgröße von knapp 2% - bei Draghi schrillen alle Alarmglocken. Ein Blick auf Japan und seine verlorenen Jahrzehnte scheint ihm auch Recht zu geben.
Die Inflationsrate mittels Zinspolitik anzufachen ist für Draghi jedenfalls ein aussichtsloses Unterfangen. Dazu reicht ein Blick auf den VPI und seine zinssensitiven Komponenten. Nahrungsmittel und Getränke etwa haben eine Gewichtung von mehr als 15% – Cola-Kauf auf Pump? Wenn dem einmal so ist, erleben wir gerade eine neue Große Depression.

Bleibt eigentlich nur der Bereich Wohnen mit einer Gewichtung von etwas mehr als 20 Prozent. Aber auch dort werden weitere Zinssenkungen – wohin auch noch bei 0,05 Prozent? – nicht den erwünschten Turbo-Effekt zeigen. Sind die Hypothekarzinsen in Österreich bereits niedrig – aber werfen Sie einmal einen Blick nach Deutschland – unter 2% auf zehn Jahre fix sind dort bereits möglich. Politisch erwünscht wäre ein Erfolg an dieser Front auch nicht: Mietpreisbremse ist das geflügelte Wort, das in Deutschland beinahe bereits Gesetzesstatus hat.

Darum die Super-Bazocka – den Markt mit Geld überschwemmen, indem einfach vorhandene Verbindlichkeiten aufgekauft werden. Und da der Geldfluss durch immer straffere Regularien nicht so richtig in die Gänge kommen kann, muss die Super-Bazocka alles bisher gesehene in den Schatten stellen. Diesem Szenario wird an den Märkten eine hohe Wahrscheinlichkeit zugebilligt – und ist somit auch zu einem guten Teil eingepreist.

Doch was wenn sich Draghi gegen den deutschen Stabilitätsgedanken nicht durchsetzen kann? Die Enttäuschung an den Märkten wäre groß. Das heißt jetzt nicht, dass Sie sofort dem Markt den Rücken kehren müssen. Denn erstens kommt es immer anders, zweitens soll man sich nicht gegen den Markt - vor allem Notenbanken - stellen, drittens Trends möglichst lange reiten und viertens gibt es auch in den meisten Marktphasen den einen und anderen Gewinner. Fix ist nur eines: Wer sein Geld nicht veranlagt, nimmt sich jede Chance es zu vermehren.

Relativ klar ist, dass diese Gewinner eher am Aktien-, denn am Anleihenmarkt zu finden sind. Womit ich wieder zu Japan und seinen verlorenen Jahrzehnten komme. Wir erinnern uns an ‘Abenomics’, das massive Quantitative Easing, das wir uns nun so sehr von Draghi wünschen? Nun, Japans Inflationsrate scheint aus dem Deflationskeller entkommen. Doch wohin? Japan verzeichnet zuletzt mit 3,4% die höchste Inflationsrate der G10 - das bei einem BIP-Rückgang im Q2 von 1,7%. Und die Anleiherenditen sind tief wie in den besten Deflationszeiten: 0,5% für zehnjährige Bonds. Sieht so ein Erfolgsmodell aus? Aus Sicht einiger Marktakteure schon: Staatsschulden werden Richtung Anleger verschoben. Woher aber in Europa Inflation kommen sollte, wenn doch die Einflussmöglichkeiten der Notenbank per Zinspolitik begrenzt ist? Nun, was für Japan Öl, ist für Europa Gas. Wen wollen wir klagen, wenn Putin den Gaspreis z.B. einfach verdoppelt – Lieferung gegen Vorauskasse? Die billigen Chinesen, die jahrelang im Westen für preisdämpfende Effekte durch Billigproduktion sorgten, gibt es auch nicht mehr in diesem Maße. Je mehr auch dort der Lebensstandard steigt, desto teurer wird für uns der Einkauf. Auch das könnte/sollte die EZB davon abhalten, die Bazocka zu sehr aufzuladen – auch wenn die Märkte damit enttäuscht werden - wie auch der Blick gen Japan.

Und wäre das wirklich schlecht? Die EZB hat sich Preisstabilität als oberstes Gebot aufgelegt. Hand aufs Herz: Klingt 0,4 nicht viel stabiler als 2,0%? Sollen wir uns also wirklich freuen, wenn das Experiment Super-Bazocka gestartet wird, oder eher fürchten, dass Wolfgang Goethe und sein Zauberlehrling Mario Draghis Magier-Künste demaskieren: „Die ich rief, die Geister werd ich nun nicht los.“

aus dem Editorial des be Investor 2 - Gratis-Download unter http://goo.gl/0jZD1y 



(12.09.2014)



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Robert Gillinger

Geschäftsführung und Chefredaktion Börse Express.

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