Hausmannskost, Sternetempel oder Einheitsfraß: Was Anleger von Feinschmeckern lernen können (Christian W. Röhl)

Exchange Traded Funds (ETFs) erfreuen sich dank niedriger Kosten und innovativer Konzepte großer Beliebtheit. Doch auch wenn einige Blogger-Kollegen oder trendige „Robo Advisors“ bisweilen Anderes suggerieren: Börsengehandelte Indexfonds sind nicht die alleinseligmachende Wahrheit, die das Direktinvestment in Aktien oder aktiv gemanagte Fonds überflüssig macht – schließlich stellt ja auch niemand das Kochen am heimischen Herd oder den gepflegten Besuch im Sternerestaurant infrage, bloß weil es bei Vapiano oder Hans im Glück sättigende Mahlzeiten zu günstigen Preisen gibt.

 

Selber kochen macht Arbeit – und Spaß

Stattdessen kommt’s sowohl beim Essen als auch bei der Geldanlage darauf an, was man haben und tun will. Klar, selber kochen kostet Zeit, macht Arbeit und braucht auch etwas Übung, zumindest wenn’s nicht jeden Tag Spiegelei oder Miracoli geben soll. Aber es kann eben auch viel Spaß machen, gerade in Gemeinschaft.

Volle Souveränität

Überdies hat man die volle Kontrolle über das, was man so in sich hineinmampft – welche Zutaten verwendet werden, woher das Fleisch stammt, ob das Gemüse weich oder eher bissfest ist, wieviel Salz ins Nudelwasser kommt. Genauso ist’s bei Aktien. Sein Portfolio in Eigenregie zusammenzustellen, bedeutet maximale Souveränität über das Vermögen – immer eingedenk der Tatsache, dass das eigene Geld für niemanden so wichtig ist wie für einen selbst.

Auf das Rezept kommt’s an

Wirklich funktionieren wird das freilich nur, wenn man nicht einfach drauflos investiert sondern nach einer klaren Strategie. Wie in der Küche braucht’s ein Rezept: Eine Einkaufsliste und eindeutige Kriterien, warum was wann geordert wird und unter welchen Bedingungen man wieder aussteigt. Da Geschmäcker – sprich finanzielle Wünsche und Ziele, aber auch die Risikoneigung – unterschiedlich sind, muss jeder sein eigenes Rezept finden. Doch wie Hobby-Köche können auch „Do-it-yourself“-Investoren sich durch Bücher oder Seminare Wissen aneignen, die DividendenAdel-Rankings und -Portfolios als Basis nehmen oder in den sozialen Medien mit Gleichgesinnten Tipps austauschen.

Do-it-yourself bringt Kostenvorteile

Und ähnlich wie keine Ausbildung zum Koch vonnöten ist, um ein feines Steak mit Pfeffersauce und Pimientos de Padron auf den Teller zu zaubern, kann man auch mit überschaubarem Aufwand sein bester Vermögensverwalter werden. Eine halbe Stunde pro Woche (also rund ein Prozent der durchschnittlichen Arbeitszeit) reicht dicke aus, um ein eigenes Dividenden-Depot zu führen, zu überwachen – und dabei kräftig Geld zu sparen: Denn wo es keinen ETF-, Fonds- oder Zertifikate-Mantel gibt, muss diese Hülle auch nicht bezahlt werden.

 

Im Sternetempel wird’s teuer

Das Gegenstück zum Selbermachen ist der aktiv gemanagte Fonds, bei dem man die komplette Verantwortung an einen professionellen Manager delegiert, der dafür mit entsprechenden Gebühren mehr oder weniger üppig entlohnt wird – so, wie im Restaurant, wo für jede Mahlzeit ein Vielfaches dessen aufgerufen wird, was die Zutaten kosten.

Hohe Ansprüche werden nicht immer erfüllt

Mit dem Preis wächst natürlich auch die Erwartung an Küchen- und Geld-Profis. Über verkochte Pastinaken und nicht auf den Punkt gebratene Jakobsmuscheln im Sternetempel ärgert man sich ebenso wie über einen Vermögensverwalter, der seinem Anspruch dauerhaft hinterherhinkt. Umgekehrt sind Fondsmanager, die tatsächlich nachhaltige Überrenditen oder den angepeilten „Absolute Return“ erwirtschaften, nicht nur genauso rar wie Sterne-Köche – sondern ebenso ihr Geld wert wie das Sugo vom Poltinger Lamm mit Gelben Bete, Miso und Curry Mumbau, das diese Woche im Berliner „Facil“ auf der Speisekarte steht.

Gegessen wird, was auf den Tisch kommt

Ob das, was sich im Menü bzw. im Prospekt so verlockend anhört, am Ende tatsächlich gelingt, weiß man freilich hier wie dort erst hinterher. Sicher ist nur, dass man nichts zu melden hat: Wer bei Fonds-Star Klaus Kaldemorgen anruft und ihn bittet, in seinem Portfolio doch mal Nestlé durch Kraft Foods zu ersetzen, wird dieselbe erstaunte Reaktion ernten wie wenn man Fernsehkoch Nelson Müller vorschlägt, zur geschmorten Salz-Zwiebel statt Gruyère doch mal Altenburger Ziegenkäse zu servieren.

Gegessen wird, was auf den Tisch kommt, wobei die Meister beider Klassen sich ungern in die Töpfe schauen lassen. Die meisten Fondsmanager legen ihre Positionen nur teilweise und mit großem Zeitverzug offen und im noblen Gourmetschuppen gibt’s weder Nährwert-Tabellen noch Küchenführungen. Doch trotzdem gehen wir immer wieder ins Restaurant, folgen Empfehlungen anderer Leckermäuler oder testen auch mal eine vielversprechende Neueröffnung. Wenn das Erlebnis das Geld wert war, kommt man gerne wieder, sonst bleibt’s eben eine einmalige Erfahrung – und ähnlich bleibt man guten Fonds treu und sortiert diejenigen, die die Erwartungen nicht erfüllen, sukzessive aus.

Unschlagbares Preis/Leistungs-Verhältnis

ETFs liegen irgendwo dazwischen. Sozusagen Systemgastronomie, wo es ja zwischen McDonald’s oder Subway und Vapiano oder Hans im Glück mittlerweile eine immense Spannweite gibt, wenngleich das Prinzip immer dasselbe ist. Ordentliches Essen zu höchst kompetitiven Preisen, qualitativ passable Zutaten und ein Service, der vielleicht nicht charmant ist, aber dafür schnell. Kein großartiger Genuss, sondern einfach bequeme Nahrungsaufnahme, nicht zu scharf, nicht zu salzig und bloß kein Knoblauch. Mainstream halt, genauso wie der klassische ETF einfach „den Markt“ abbildet. Nie besser als der Index, aber dafür eben auch nicht schlechter, obendrein konkurrenzlos günstig – und hoch skalierbar.

Fokus auf Skalierbarkeit

Spezialitäten bleiben da zwangsläufig auf der Strecke. Aber das kennt man ja von McDonald’s, wo die Fruchttüte nicht ohne Grund vorwiegend mit Apfelstückchen gefüllt ist. Kein anderes Obst lässt sich in den Mengen beschaffen, die der Burgerbrater braucht. Dasselbe gilt für ETFs, wo der Spaß aus Sicht der Anbieter erst im dreistelligen Millionen-Bereich beginnt – und deren Schwerpunkt deshalb notgedrungen auf relativ wenigen hochliquiden Aktien liegt, auch wenn man das nicht immer gleich erkennt.

Spezialitäten spielen keine Rolle

Durchaus eindrucksvoll etwa, dass der iShares STOXX 600 ETF tatsächlich 600 europäische Aktien enthält. Allerdings repräsentieren die größten 60 Firmen die Hälfte des Portfolios, während die 300 kleinsten gerade einmal auf einen Anteil von 10% kommen. Die Geschmacksvielfalt ist also nicht viel größer als bei „Mäckes“, wo jedes Sparmenü irgendwann ein bisschen fad wird.

Essen ist keine Religion – Geldanlage auch nicht

Doch das Gute ist ja: Auch wenn manche Apologeten des passiven Investierens jeden, der nicht seine ganze Kohle in ETFs steckt, als verbimmelten Freak abstempeln – wie Essen ist auch Geldanlage keine Religion. Folglich gibt’s keine Dogmen, keinen Katechismus und keinen Papst, der „ex cathedra“ Unfehlbares kundtut. Stattdessen kann man ganz flexibel entscheiden, was auf den Teller bzw. ins Depot kommt.

Direktinvestment in Deutschland, Europa und USA

Das hängt vor allem vom Budget ab – und vom Marktzugang. Zehn deutsche DividendenAdel-Aktien, vom Blue Chip bis zum Nebenwert, einmal im Jahr überprüft, die kann man sich bequem ins Depot packen. Dasselbe gilt für europäische und US-amerikanische Titel, gerade weil manche Online-Broker wie Lynx inzwischen sogar Auslandsorders zu Preisen ausführen, die sich auch bei kleineren Volumina rechnen.

ETFs für Asien und Schwellenländer

Wer auf manuelle Diversifikation – sprich selbst kochen – partout keine Lust hat, greift hingegen zu ETFs. Für Asien und die Emerging Markets sind Index-Fonds ohnehin die beste Lösung – allein schon, weil viele dieser Märkte dann offen sind, wenn der gemeine Mitteleuropäer schläft. An vielen Schwellenländer-Börsen sind überdies keine ausländischen Privatanleger zugelassen und der Umweg über die so genannten „Depositary Receipts“ kann teuer werden.

In Nischenmärkten auf Profis vertrauen

Und manche Sachen überlässt man am besten den Profis – bevor man sich so die Finger verbrennt wie der Autor dieses Artikels, als er sich mal an molekularen Desserts versucht hat und plötzlich die halbe Arbeitsplatte in Flammen stand. Das kann auch bei Nachranganleihen passieren, wobei man natürlich darüber streiten kann, ob man diese Asset-Klasse wirklich im Depot braucht. Doch wer das bejaht, ist mit einem aktiven Fonds gut bedient. Denn für ETFs ist das Segment zu speziell und Direktinvestments scheitern vielfach schon an den hohen Mindestanlagesummen.

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Weiterführende Informationen: Kapitalmarktausblick der Deutschen Bank

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(25.05.2017)

Essen, Fleisch, Gemüse


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Christian W. Röhl
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