26.07.2018, 4661 Zeichen
Der Erdölpreis zeigt im bisherigen Jahresverlauf eine positive Tendenz, trotz diverser Korrekturen. Beispielsweise profitierte er im 2. Quartal von der sinkenden Lagerhaltung und den zusätzlich drohenden Produktionsrückgängen im Iran und in Venezuela aufgrund von US-Sanktionen. In dieser Periode stieg der Spotpreis (Brent) in US-Dollar um rund 13 Prozent. Energieaktien konnten daran entsprechend partizipieren und legten rund zwölf Prozent zu.
„Wir gehen davon aus, dass Energieaktien auch mittelfristig weiter profitieren werden. Das Bewertungsniveau ist - sofern der Rohölpreis sich auf einem Niveau von 65-70 USD halten kann - weiterhin attraktiv, vor allem im Explorations- und Fördersegment, bei den europäischen integrierten Ölfirmen sowie auch teilweise bei den Öl-Dienstleistern. Wir rechnen in den nächsten Monaten, vor allem aber ab dem 4. Quartal, mit einer weiteren Verbesserung der Angebots- / Nachfragesituation, welche mit weiter sinkenden Lagern einhergehen wird“, so Paolo Zagaria, Manager des Swisscanto (LU) Equity Fund Global Energy.
Druck der Investmentindustrie erreicht Managements
Die künstliche Produktionsverknappung der OPEC-Länder spielt dabei eine immer weniger zentrale Rolle. Bereits Ende Juni hat die OPEC aufgrund der angespannten Angebotssituation entschieden, die Produktion wieder um rund 1 Mio. Barrel pro Tag zu erhöhen. Venezuela, Iran, Libyen, Kanada sowie Kasachstan weisen aus verschiedensten Gründen Probleme bei der Produktion auf. Sogar die Produktion von US-Schieferöl dürfte aufgrund von Infrastrukturproblemen 2018 und vor allem 2019 weniger rasant wachsen. Die extrem schnelle Wiederaufnahme der Bohraktivitäten hat zu logistischen Engpässen geführt, so dass einige Firmen ihre Wachstumsziele bereits leicht zurücknehmen.
„Da viele Firmen ihre Kapitalkosten kaum decken, scheint auch der Druck der Investmentindustrie, welche zu mehr Kapitaldisziplin auffordert, langsam zu den Managements durchzusickern. Aktienrückkäufe und Dividendenerhöhungen wie auch Investitionen im Rahmen der erwirtschafteten Cashflows scheinen sich zu einem Standard zu entwickeln. Eine Finanzierung des Wachstums durch die Kreditmärkte dürfte aufgrund der steigenden Zinsen in Zukunft teurer werden. Die großen internationalen Öl-Produzenten treten aufgrund ihrer Bilanzen und den Vorlaufzeiten von größeren Projekten bei neuen Kapitalinvestitionen weiterhin auf die Bremse. Dies sollte letztlich zu einem geringeren mittelfristigen Wachstum der Produktion führen“, sagt Zagaria.
Die Preisentwicklung von Rohöl dürfte in den nächsten Monaten maßgeblich von der Interaktion zwischen der Angebotsausweitung der OPEC Länder (inklusive Russland) und den Auswirkungen der US-Sanktionen auf die Produktion im Iran und in Venezuela abhängen. Die ungenutzte Kapazität der OPEC Länder (vor allem von Saudi-Arabien), welche im Falle von unvorhergesehenen Ausfällen helfen soll, die Ölpreise zu stabilisieren, könnte in den nächsten Monaten auf ein bedenklich tiefes Niveau sinken. In der Folge könnten die Rohölpreise stark ansteigen, um das Nachfragewachstum zu verlangsamen.
Optimales Umfeld für Energieaktien
Der Abbau der hohen Lagerbestände hat sich im 2. Quartal 2018 leicht verlangsamt, er schreitet dennoch weiter voran. Die Nachfrage nach Rohöl zeigt bisher nur geringe Abschwächungstendenzen, könnte jedoch mittelfristig durch aufkommende Handelshemmnisse negativ tangiert werden. Die Normalisierung der Lagerbestände auf ein 5-Jahres-Durchschnitts-Niveau wird noch einige Monate Anspruch in nehmen. Der Anpassungsprozess dürfte aufgrund der beschriebenen Situation auf der Angebots- und Nachfrageseite volatil bleiben. „Wir gehen davon aus, dass die Preise vor allem aufgrund der Probleme auf der Angebotsseite über dem Niveau der marginalen Kosten der Rohölproduktion (55-60 US-Dollar) bleiben werden und gar das Potenzial für einen starken Anstieg haben, sollten die US-Sanktionen bezüglich der Iran-Exporte zu einschränkend sein“, meint Zagaria.
Sein Fazit lautet: „Das bessere Preisumfeld für Rohöl wie auch die verstärkte Kapitaldisziplin mit Fokus auf den Aktionär bilden ein optimales Umfeld für Energieaktien und sind unseres Erachtens noch nicht vollständig eingepreist. Die Bewertungen von Energieaktien sind – sofern es wie von uns erwartet zu stabilen bis leicht höheren Rohölpreisen kommt – attraktiv, insbesondere im relativen Vergleich. Wir erwarten eine weitere positive Entwicklung der Aktienkurse gestützt durch ein positives Rohölpreis-Umfeld angesichts weiter sinkenden Lagerbestände ab dem 4. Quartal 2018. Eine internationale Eskalation des Streits um die Handelstarife könnte das positive Umfeld jedoch rasch trüben.“
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