Deutsche Post vs. Österreichische Post: Zweikampf in Austria (Franz C. Bauer, Marc Schmidt)

Offene Kommunikation zählt nicht gerade zu den Stärken österreichischer Unternehmen. Auch wir nehmen im Grunde inakzeptable Vorgänge bisweilen resignierend zur Kenntnis, ohne näher darauf einzugehen. Auf einen solchen hat uns jüngst ein (prominenter) Leser in einem Leserbrief hingewiesen: Zwar halten wir die Post-Aktie (WKN A0JML5) auf dem aktuellen Kursniveau für durchaus interessant bewertet, doch eine Frage muss man da schon stellen: Die in den Medien mit Überraschungseffekt präsentierte Ankündigung der Deutschen Post (WKN 555200), die Auslieferung von Paketen in Österreich künftig selbst zu übernehmen – kam die wirklich so überraschend? Gibt es da keine Verträge, die mit entsprechenden Fristen gekündigt werden müssen? Gab es überhaupt keine Anzeichen, die auf die Auflösung der Kooperation hindeuteten und eine Vorwarnung an die Anleger gerechtfertigt hätten? Die Post ist ein solides Unternehmen mit hoher Dividendenrendite. Aber die Anleger interessiert, in welchem Ausmaß die neue Konkurrenz das Ergebnis der Post beeinträchtigen kann. Und vor allem, ob die Dividendenkontinuität erhalten bleibt.

Ein Kommunikations-Desaster anderer Art erleben wir gerade im Zusammenhang mit dem zwischen der EU und den USA verhandelten Investmentschutz-Abkommen TTIP. Tatsächlich bietet ein solches Abkommen bedeutende Vorteile für Aktionäre – und keineswegs nur für diese. Denken wir nur an die Vorgänge in Ungarn. Der Amoklauf der Regierung Orban gegen Österreichs Banken (die daran freilich Mitschuld tragen) und Einzelhändler zeigt, wie wichtig ein Abkommen ist, das Auslandsinvestments gegenüber Regierungsübergriffen schützt. Auch die Einführung von Schiedsgerichten kann eine gute Sache sein. Schiedsgerichtsverfahren sind üblicherweise billiger und schneller als Verfahren vor „ordentlichen“ Gerichten, und idiotische Gerichtsurteile gibt es ja auch von beamteten Richtern (die übrigens sehr oft auch bei Schiedsgerichten mitwirken).

Auch die Frage, wie weit Privatisierungen gehen dürfen, sollte mit weniger Emotionen diskutiert werden. Der Slogan „Hände weg von unserem Wasser“ ist einprägsam und mobilisiert viele Menschen, doch wir sollten nicht vergessen, dass die Wasserversorgung unseres flächengrößten Bundeslands in den Händen eines börsennotierten Unternehmens liegt. Das ist die EVN (WKN EVNK01) nämlich, die Niederösterreich versorgt. Es ist offenbar alles eine Frage der Rahmenbedingungen: Sollte die EVN überhöhte Tarife verlangen, schlechtes Wasser liefern oder gar bei der Versorgung versagen, dann kann Landeshauptmann Pröll die nächsten Wahlen in den Rauchfang schreiben. Das Land hält einen bestimmenden Anteil an EVN, also passiert da gar nichts.

Doch verhandelt wurde hinter verschlossenen Türen, kommuniziert wurde gar nichts, und die berechtigte Befürchtung, dass TTIP demokratische Strukturen aushebeln könnte, ist wohl nicht aus der Luft gegriffen. Unternehmen (vor allem amerikanische) brauchen strenge und klare Regeln und Grenzen – genau das hat aber niemand kommuniziert, und die vagen Versprechungen, das Abkommen werde Arbeitsplätze bringen, glaubt ohnedies niemand. Da wundert es niemanden, dass jüngst hunderttausende Menschen in Deutschland gegen ein Abkommen demonstrierten, das, hätte man von Beginn an klar kommuniziert und mit den Amerikanern entsprechend energisch verhandelt, für Anleger und Demokraten durchaus seine guten Seiten hat. Oder hätte.

Ein Beitrag von Franz C. Bauer

Franz C. Bauer ist Chefkolumnist des Austria Börsenbriefs

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(18.10.2015)

Post steigt


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Marc Schmidt

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