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29.07.2015

Das richtige Trainingstempo (Wilhelm Lilge)


Nicht zu schnell und nicht zu langsam, auf das Tempo kommt es an!

Wenn zwei Menschen das Gleiche tun, kann das in der Praxis ganz unterschiedlich aussehen. Auch beim Laufen ist das so. Das, was für den Einen ein lockeres jogging ist, stellt für den Anderen vielleicht schon fast einen Sprint dar. Klar ist auf alle Fälle, dass in Abhängigkeit vom Leistungsniveau das Trainingstempo unterschiedlich gewählt werden muss. Aber was ist das richtige Tempo?

Wilhelm Lilge

Ist es Ihnen nicht auch schon einmal so gegangen? Da laufen Sie so irgendwie dahin, eigentlich geht’s ganz gut. Ein schnellerer Läufer läuft an Ihnen vorbei, einen langsamen Läufer überholen Sie selbst. Sie überlegen: sollte ich vielleicht etwas schneller laufen, bringt das mehr, die Zeit ist ohnehin knapp? Andererseits haben Sie überall gehört und gelesen, dass „Laufen ohne Schnaufen“ so wichtig ist und der Puls ja nicht über einen bestimmten Grenzwert steigen darf. Was stimmt denn nun wirklich?

Genau so wenig, wie es die eierlegende Wollmilchsau gibt, genau so wenig gibt es ein richtiges Trainingstempo oder eine richtige Herzfrequenz. Fix ist auch, dass ständiges Vollgas-Laufen nicht die richtige Lösung ist, aber mit ausschließlich leicht-locker-lächelnd bleibt man zwar gesund, wird man aber auch kaum schneller.

Es gibt Läufer, die rennen jeden Tag in Wien die Hauptallee einmal auf und ab und das immer im gleichen Tempo. Immer gleich lang und gleich schnell. Der Körper gewöhnt sich irgendwann daran und es gibt keinen Schlüsselreiz zur Anpassung mehr, man wird nicht mehr besser. Wenn man das ohnehin nicht will, ist das ok, aber bis jetzt hat es noch jedem Läufer Spaß gemacht schneller zu werden.

Das Ausdauer-Puzzle

Die Ausdauerleistungsfähigkeit setzt sich ähnlich wie ein Puzzle aus einzelnen Elementen zusammen, die erst in ihrer Gesamtheit ein (möglicherweise) perfektes Bild ergeben. Die Qualität des Gesamtbildes hängt von der Qualität der einzelnen Elemente ab. Deshalb trainieren wir – oft ohne es bewusst wahrzunehmen – unsere Muskulatur, die unterschiedlichen Wege der Energiebereitstellung, unser Herz-Kreislaufsystem, unser Atmungssystem, das Nervensystem und auch unseren passiven Bewegungsapparat.

Warum läuft man im Training eigentlich oft recht gemütlich, wenn es doch im Wettkampf eigentlich immer darum geht, möglichst schnell zu laufen? Beim Laufen über lange Strecken zählt vor allem die Bewegungsökonomie, also das Laufen eines bestimmten Tempos mit möglichst geringem Aufwand. Lange Strecken können nur in einem Stoffwechselgleichgewicht bewältigt werden. Und diese Ökonomisierung der Stoffwechselvorgänge lässt sich nun einmal nur mit längeren, ruhigen Einheiten erreichen.

Die unterschiedlichen Wege der Energieversorgung unter Belastung müssen zumindest ab einem gewissen Leistungsniveau gesondert trainiert werden. Je höher das Leistungsniveau ist, umso eher ist ein „Mischtraining“ zu vermeiden. Dazu sicherheitshalber ein kleiner Exkurs zur Energiebereitstellung:

Die Energiebereitstellung für Ausdauersportler

1

Egal ob Sie laufen, gehen oder schlafen, zum Funktionieren brauchen Sie ständig Energie. Diese Energie führen Sie aber nicht ständig von außen zu, sondern der Körper holt sich den notwendigen Treibstoff aus irgendwelchen Speichern. Für den Ausdauersportler sind zwei Energiespeicher wichtig: die Fette und die Kohlenhydrate. In Ruhe oder wenn Sie gemütlich laufen, dann greift der Körper vor allem auf die Fette zurück. Davon haben wir (fast) alle genug. Die Umwandlung der Fette in direkt verwertbare Energie ist aber eine recht komplizierte Angelegenheit, es ist dazu auch ziemlich viel Sauerstoff notwendig.

Wenn Sie schneller laufen und pro Zeiteinheit mehr Energie benötigen, dann versucht Ihr Körper deshalb einen einfacheren Weg der Energieversorgung zu finden. Aus diesem Grund greifen Sie bei höherer Belastung zunehmend mehr auf die Kohlenhydrate zurück, die in der Muskulatur und in der Leber als Glykogen gespeichert sind. Für die gleiche Energiemenge in der Muskulatur brauchen Sie nun etwas weniger Sauerstoff. Die in Form von Glykogen speicherbare Energiemenge ist allerdings deutlich weniger als die von Fett. Ein Grund liegt darin, dass ein Gramm Kohlenhydrate nur vier Kalorien liefert, während ein Gramm Fett gleich neun Kalorien liefert. (Deshalb muss auch bei allen kalorienreduzierten Ernährungsformen vor allem beim Fett eingespart werden.)

Wenn Sie noch schneller laufen, dann können Sie irgendwann während der Belastung gar nicht mehr so viel Sauerstoff aufnehmen wie Sie eigentlich benötigen. Sie gehen eine Sauerstoffschuld ein. Die anfallende Milchsäure (Laktat) kann dann nicht mehr so schnell abgebaut werden, wie sie anfällt. Muskulatur und Blut übersäuern immer mehr, bis Sie schließlich die Geschwindigkeit nicht mehr länger durchhalten können. Die Intensität, wo die Sauerstoffaufnahme mit dem Verbrauch gerade noch Schritt halten kann, wird anaerobe Schwelle genannt und liegt bei einer mittleren Laktatkonzentration von 4 mmol, wobei es individuell kleinere Abweichungen nach oben oder unten geben kann. Dies entspricht ungefähr einem Tempo, das Sie ca. 30 Minuten durchhalten können. Spitzenläufer können als die 10km in einem Tempo laufen, das ziemlich genau der anaeroben Schwelle entspricht.

Bei oberflächlicher Betrachtung der Energiebereitstellung könnte man schlussfolgern, dass zum Fettabbau also immer langsam gelaufen werden sollte, weil nur dann überwiegend Fett abgebaut wird. Die Krux dabei ist allerdings, dass beim Langsam-Laufen insgesamt deutlich weniger Energie benötigt wird als beim schnelleren Laufen. Der Energieverbrauch beim Laufen steigt praktisch direkt proportional mit der Geschwindigkeit. Deshalb muss auch das Trainingsprogamm eines Abnehmwilligen so aufgebaut sein, dass dieser möglichst schnell leistungsfähiger wird und bei gleicher Anstrengung ein höheres Tempo lange durchlaufen kann. Deshalb ist auch die Geschichte vom „idealen Fettstoffwechselpuls“ ein Unsinn.

Auch im Ausdauertraining: die Dosis machts!

Also: jedes Tempo ist im Prinzip richtig, aber alles zu seiner Zeit. Die Dosierung und das timing machen den Unterschied. Dies gilt für den Anfänger genau so wie für den Spitzensportler. Der Großteil des Ausdauertrainings muss eher gemütlichen Charakter haben, weil nur damit der Fettstoffwechsel (nicht verwechseln mit Fettabbau!) trainiert wird. Diese Einheiten im ruhigen Tempo verbessern die Grundlagenausdauer. Wie aber der Name aber schon sagt, ist das nur die Grundlage für eine Leistungsentwicklung.

Jetzt kommt es sehr auf Ihre Zielsetzung an: wollen Sie sich zielgerichtet auf einen Marathon vorbereiten, begnügen Sie sich mit kürzeren Wettkämpfen oder wollen Sie nur eine Basisfitness erwerben, bzw. erhalten? Für den Erhalt der Fitness reicht ein Grundlagenausdauertraining, beim Marathon sollte zumindest einmal in der Woche eine

2

Einheit absolviert werden, die mit höherer Geschwindigkeit gelaufen wird als das angepeilte Marathontempo. Bei einem hohen Leistungsbereich (Marathon unter 3:00) ist natürlich eine weitere Differenzierung notwendig und bei einer Konzentration auf kürzere (= schnellere) Wettkampfstrecken sowieso.

Wenn Sie viele ruhige Dauerläufe machen, werden Sie zwar nicht gleich eine Leistungssteigerung merken. Aber im Ausdauersport ist eben Geduld gefragt. Wenn Sie dann einmal ein stabiles Fundament erarbeitet haben, dann können Sie darauf aufbauen.

Laufen mit 2-Gang-Getriebe?

Haben Sie eigentlich ein Auto mit nur zwei Vorwärtsgängen, einen für schnell und einen für langsam? Wahrscheinlich nicht, und auch bei Ihrem Lauftraining sollte es mehr als langsam und schnell geben. In der Praxis hat sich eine Einteilung in fünf verschiedene Intensitätsbereiche bewährt, von ganz langsam bis schnell. Diese Bandbreite sollte eine Spannweite von mindestens 40 Pulsschlägen pro Minute abdecken. Wenn z.B. bei Einheiten wie 8 x 1000m der Puls ungefähr bei 170 ist, dann sollte beim regenerativen Dauerlauf der Puls unter 130 liegen. Vom Tempo her sollte zwischen den schnellsten und den langsamsten Dauerläufen ein Unterschied von ca. 1:30/km sein. Wenn Sie einen schnellen Dauerlauf mit 4:45/km laufen und einen langsamen Dauerlauf mit 5:00/km, dann nützen Sie nur einen kleinen Teil der Bandbreite der Intensitäten.

Die erste Intensitätsstufe, sozusagen der erste Gang, ist der Bereich „A 0“ (Regeneration – Kompensation). Dieses Tempo sollten Sie wirklich als gaaanz locker empfinden. Die Läufe dauern maximal 45 bis 60 Minuten, sonst können Sie aufgrund der Dauer irgendwann nicht mehr erholsam sein.

Der zweite Gang ist der Bereich „A 1“ (extensives Ausdauertraining I), der kein ganz langsames Dahintraben mehr darstellt, aber auch noch nach einer Stunde noch als leicht empfunden werden sollte. Bei längeren Einheiten (75 – 120/150 Minuten) erfolgt dabei eine optimale Aktivierung des Fettstoffwechsels. Das ist die Intensität, mit der Marathonläufer ihren „long jog“ machen.

Vor allem jene Läufer, die nur sporadisch trainieren, laufen oft einen großen Teil des Trainings in der nächsten Intensitätsstufe, dem Bereich „A 2“ (extensives Ausdauertraining II). Dabei haben Sie das Gefühl: „da tut sich schon was“, andererseits könnten Sie jederzeit auch einen ordentlichen Gang schneller laufen. Stoffwechselmäßig entspricht der A 2 - Bereich einem „Mischbereich“, wobei ungefähr zu gleichen Teilen Fette und Kohlenhydrate (sofern noch verfügbar) als Energielieferant verwendet werden. Die Intensitätsstufen A 1 und A 2 können als extensives Ausdauertraining zusammengefasst werden, wofür häufig auch noch der Begriff GA 1 (Grundlagenausdauer I) verwendet wird.

Zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit ist aber das Grundlagentraining natürlich zuwenig. Relativ intensive Belastungen bauen darauf auf und dienen der Leistungsentwicklung, v.a. auch zur Verbesserung der anaeroben Schwelle. Deshalb sind in der vierten Intensitätsstufe „A 3“ (Intensives Ausdauertraining) zügige Dauerläufe notwendig. Diese Intensitätsstufe sollte eine Stufe langsamer als das aktuell mögliche 10km Wettkampftempo sein (ca. 10 – 20“/km langsamer).

Zur Entwicklung der anaeroben Schwelle und der Leistung auf kürzeren Strecken sind auch Trainingseinheiten im Bereich der anaeroben Schwelle und auch etwas darüber notwendig.

3

Neben kurzen, schnellen Dauerbelastungen sind „Fahrtspiele“ und das extensive Intervalltraining (Länge der Tempostrecken: 2 - 10 Minuten, z.B. 8 x 1000m mit 2 Minuten Pause) dazu geeignet. Diese Intensität wird mit „A 4“ bezeichnet. Wichtig ist v.a. für den Marathonläufer, dass dieses Intervalltraining nicht so schnell wie möglich absolviert wird, sondern nur eine Spur schneller als das mögliche 10km Tempo. Nach der letzten Wiederholung sollten Sie bei solch einem Training das Gefühl haben, dass noch zwei oder drei Wiederholungen möglich wären. Häufige intensive Belastungen verschlechtern die (für den Marathonläufer viel wichtigere) Grundlagenausdauer!

Abgesehen von Laktat und Herzfrequenz sind diese schnellen Einheiten auch deshalb notwendig, weil damit die wettkampfspezifische Schrittstruktur (Schrittlänge, Schrittfrequenz) mit einer entsprechenden muskulären Belastung geübt wird.

Sie werden immer wieder unterschiedliche Bezeichnungen der einzelnen Intensitätsbereiche finden und auch unterschiedliche Prozentwerte, je nachdem, was als Referenzgröße (100%) verwendet wird. Manchmal finden Sie Prozentangaben in Relation zur maximalen Herzfrequenz oder auch zur maximalen Leistungsfähigkeit (?). Am besten hat sich in der Praxis eine Orientierung an der Herzfrequenz an der anaeroben Schwelle bewährt. Mit einem Laktat-Stufentest (für Läufer ist allerdings ein Radtest sinnlos) kommt man der Sache schon näher. Und wenn Sie doch keine Möglichkeit zum Absolvieren einen Laktattests haben, so können Sie davon ausgehen, dass die anaerobe Schwelle bei ca. 93% der Hf-max erreicht wird. Diese Angabe und auch die Richtwerte in der nachstehenden Tabelle gelten für zumindest durchschnittlich trainierte Läufer.

Trainingsbereich Dauer Laktat (mmol) A 0 - regenerativer Dauerlauf 30 – 45‘/60‘ < ca. 1,5
A 1 - extensives Ausdauertraining I 45‘ – 1:45/2:45 ca. 1,5 – max. 2 A 2 - extensives Ausdauertraining II 30 – 60‘/1:30 2/1,5 – 3,5/2,5 A 3 - intensives Ausdauertraining 20 – 45‘/1:15 2,5 – 5

A 4 - Schwellentraining insg. 20 – 30 Netto-Minuten 4 – 8/4 – 6

Angaben hinter Schrägstrichen gelten für Marathonläufer

Prozent zur Hf-4 mmol - 75%
75 - 82,5%
82,5 - 90%

90 - 95% 95 - 102%

Anteil am gesamten Trainingsumfang 0-20%
50-60%/70%
15-25%

5 – 15% 1 – 5%

Die Intensitätssteuerung über die Herzfrequenz ist im Ausdauersport immer die erste Wahl, weil damit die tatsächliche „innere Beanspruchung“ berücksichtigt wird. Falls Sie aber immer noch eine Pulsmesser-Allergie haben sollten, können Sie die Intensitätsbereiche auch vom Tempo her ableiten. In diesem Fall müssen Sie aber unterschiedliche Bedingungen natürlich berücksichtigen:

Je nach individuellen Stärken und Schwächen, der Hauptwettkampfstrecke, den Zielsetzungen und dem Saisonabschnitt sollte aus diesen fünf „Zutaten“ ein sinnvolles Rezept zusammengestellt werden. Bei schwacher Grundlagenausdauer und für den Marathonläufer sind die ruhigen, langen Dauerläufe wichtiger als für den Mittelstreckenläufer. Zu Saisonbeginn sollten aber alle Ausdauersportler zuerst ihre Grundlagenausdauer entwickeln, bevor intensivere Trainingsformen eingesetzt werden. Trotz aller wissenschaftlichen Vorgaben sollte sie aber nie ihr Gefühl, bzw. ihr subjektives Belastungsempfinden außer Acht lassen. Disziplin und Konsequenz sind im Ausdauersport notwendig, aber eine Leistungssteigerung lässt sich nicht erzwingen! 


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29.07.2015

Das richtige Trainingstempo (Wilhelm Lilge)


Nicht zu schnell und nicht zu langsam, auf das Tempo kommt es an!

Wenn zwei Menschen das Gleiche tun, kann das in der Praxis ganz unterschiedlich aussehen. Auch beim Laufen ist das so. Das, was für den Einen ein lockeres jogging ist, stellt für den Anderen vielleicht schon fast einen Sprint dar. Klar ist auf alle Fälle, dass in Abhängigkeit vom Leistungsniveau das Trainingstempo unterschiedlich gewählt werden muss. Aber was ist das richtige Tempo?

Wilhelm Lilge

Ist es Ihnen nicht auch schon einmal so gegangen? Da laufen Sie so irgendwie dahin, eigentlich geht’s ganz gut. Ein schnellerer Läufer läuft an Ihnen vorbei, einen langsamen Läufer überholen Sie selbst. Sie überlegen: sollte ich vielleicht etwas schneller laufen, bringt das mehr, die Zeit ist ohnehin knapp? Andererseits haben Sie überall gehört und gelesen, dass „Laufen ohne Schnaufen“ so wichtig ist und der Puls ja nicht über einen bestimmten Grenzwert steigen darf. Was stimmt denn nun wirklich?

Genau so wenig, wie es die eierlegende Wollmilchsau gibt, genau so wenig gibt es ein richtiges Trainingstempo oder eine richtige Herzfrequenz. Fix ist auch, dass ständiges Vollgas-Laufen nicht die richtige Lösung ist, aber mit ausschließlich leicht-locker-lächelnd bleibt man zwar gesund, wird man aber auch kaum schneller.

Es gibt Läufer, die rennen jeden Tag in Wien die Hauptallee einmal auf und ab und das immer im gleichen Tempo. Immer gleich lang und gleich schnell. Der Körper gewöhnt sich irgendwann daran und es gibt keinen Schlüsselreiz zur Anpassung mehr, man wird nicht mehr besser. Wenn man das ohnehin nicht will, ist das ok, aber bis jetzt hat es noch jedem Läufer Spaß gemacht schneller zu werden.

Das Ausdauer-Puzzle

Die Ausdauerleistungsfähigkeit setzt sich ähnlich wie ein Puzzle aus einzelnen Elementen zusammen, die erst in ihrer Gesamtheit ein (möglicherweise) perfektes Bild ergeben. Die Qualität des Gesamtbildes hängt von der Qualität der einzelnen Elemente ab. Deshalb trainieren wir – oft ohne es bewusst wahrzunehmen – unsere Muskulatur, die unterschiedlichen Wege der Energiebereitstellung, unser Herz-Kreislaufsystem, unser Atmungssystem, das Nervensystem und auch unseren passiven Bewegungsapparat.

Warum läuft man im Training eigentlich oft recht gemütlich, wenn es doch im Wettkampf eigentlich immer darum geht, möglichst schnell zu laufen? Beim Laufen über lange Strecken zählt vor allem die Bewegungsökonomie, also das Laufen eines bestimmten Tempos mit möglichst geringem Aufwand. Lange Strecken können nur in einem Stoffwechselgleichgewicht bewältigt werden. Und diese Ökonomisierung der Stoffwechselvorgänge lässt sich nun einmal nur mit längeren, ruhigen Einheiten erreichen.

Die unterschiedlichen Wege der Energieversorgung unter Belastung müssen zumindest ab einem gewissen Leistungsniveau gesondert trainiert werden. Je höher das Leistungsniveau ist, umso eher ist ein „Mischtraining“ zu vermeiden. Dazu sicherheitshalber ein kleiner Exkurs zur Energiebereitstellung:

Die Energiebereitstellung für Ausdauersportler

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Egal ob Sie laufen, gehen oder schlafen, zum Funktionieren brauchen Sie ständig Energie. Diese Energie führen Sie aber nicht ständig von außen zu, sondern der Körper holt sich den notwendigen Treibstoff aus irgendwelchen Speichern. Für den Ausdauersportler sind zwei Energiespeicher wichtig: die Fette und die Kohlenhydrate. In Ruhe oder wenn Sie gemütlich laufen, dann greift der Körper vor allem auf die Fette zurück. Davon haben wir (fast) alle genug. Die Umwandlung der Fette in direkt verwertbare Energie ist aber eine recht komplizierte Angelegenheit, es ist dazu auch ziemlich viel Sauerstoff notwendig.

Wenn Sie schneller laufen und pro Zeiteinheit mehr Energie benötigen, dann versucht Ihr Körper deshalb einen einfacheren Weg der Energieversorgung zu finden. Aus diesem Grund greifen Sie bei höherer Belastung zunehmend mehr auf die Kohlenhydrate zurück, die in der Muskulatur und in der Leber als Glykogen gespeichert sind. Für die gleiche Energiemenge in der Muskulatur brauchen Sie nun etwas weniger Sauerstoff. Die in Form von Glykogen speicherbare Energiemenge ist allerdings deutlich weniger als die von Fett. Ein Grund liegt darin, dass ein Gramm Kohlenhydrate nur vier Kalorien liefert, während ein Gramm Fett gleich neun Kalorien liefert. (Deshalb muss auch bei allen kalorienreduzierten Ernährungsformen vor allem beim Fett eingespart werden.)

Wenn Sie noch schneller laufen, dann können Sie irgendwann während der Belastung gar nicht mehr so viel Sauerstoff aufnehmen wie Sie eigentlich benötigen. Sie gehen eine Sauerstoffschuld ein. Die anfallende Milchsäure (Laktat) kann dann nicht mehr so schnell abgebaut werden, wie sie anfällt. Muskulatur und Blut übersäuern immer mehr, bis Sie schließlich die Geschwindigkeit nicht mehr länger durchhalten können. Die Intensität, wo die Sauerstoffaufnahme mit dem Verbrauch gerade noch Schritt halten kann, wird anaerobe Schwelle genannt und liegt bei einer mittleren Laktatkonzentration von 4 mmol, wobei es individuell kleinere Abweichungen nach oben oder unten geben kann. Dies entspricht ungefähr einem Tempo, das Sie ca. 30 Minuten durchhalten können. Spitzenläufer können als die 10km in einem Tempo laufen, das ziemlich genau der anaeroben Schwelle entspricht.

Bei oberflächlicher Betrachtung der Energiebereitstellung könnte man schlussfolgern, dass zum Fettabbau also immer langsam gelaufen werden sollte, weil nur dann überwiegend Fett abgebaut wird. Die Krux dabei ist allerdings, dass beim Langsam-Laufen insgesamt deutlich weniger Energie benötigt wird als beim schnelleren Laufen. Der Energieverbrauch beim Laufen steigt praktisch direkt proportional mit der Geschwindigkeit. Deshalb muss auch das Trainingsprogamm eines Abnehmwilligen so aufgebaut sein, dass dieser möglichst schnell leistungsfähiger wird und bei gleicher Anstrengung ein höheres Tempo lange durchlaufen kann. Deshalb ist auch die Geschichte vom „idealen Fettstoffwechselpuls“ ein Unsinn.

Auch im Ausdauertraining: die Dosis machts!

Also: jedes Tempo ist im Prinzip richtig, aber alles zu seiner Zeit. Die Dosierung und das timing machen den Unterschied. Dies gilt für den Anfänger genau so wie für den Spitzensportler. Der Großteil des Ausdauertrainings muss eher gemütlichen Charakter haben, weil nur damit der Fettstoffwechsel (nicht verwechseln mit Fettabbau!) trainiert wird. Diese Einheiten im ruhigen Tempo verbessern die Grundlagenausdauer. Wie aber der Name aber schon sagt, ist das nur die Grundlage für eine Leistungsentwicklung.

Jetzt kommt es sehr auf Ihre Zielsetzung an: wollen Sie sich zielgerichtet auf einen Marathon vorbereiten, begnügen Sie sich mit kürzeren Wettkämpfen oder wollen Sie nur eine Basisfitness erwerben, bzw. erhalten? Für den Erhalt der Fitness reicht ein Grundlagenausdauertraining, beim Marathon sollte zumindest einmal in der Woche eine

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Einheit absolviert werden, die mit höherer Geschwindigkeit gelaufen wird als das angepeilte Marathontempo. Bei einem hohen Leistungsbereich (Marathon unter 3:00) ist natürlich eine weitere Differenzierung notwendig und bei einer Konzentration auf kürzere (= schnellere) Wettkampfstrecken sowieso.

Wenn Sie viele ruhige Dauerläufe machen, werden Sie zwar nicht gleich eine Leistungssteigerung merken. Aber im Ausdauersport ist eben Geduld gefragt. Wenn Sie dann einmal ein stabiles Fundament erarbeitet haben, dann können Sie darauf aufbauen.

Laufen mit 2-Gang-Getriebe?

Haben Sie eigentlich ein Auto mit nur zwei Vorwärtsgängen, einen für schnell und einen für langsam? Wahrscheinlich nicht, und auch bei Ihrem Lauftraining sollte es mehr als langsam und schnell geben. In der Praxis hat sich eine Einteilung in fünf verschiedene Intensitätsbereiche bewährt, von ganz langsam bis schnell. Diese Bandbreite sollte eine Spannweite von mindestens 40 Pulsschlägen pro Minute abdecken. Wenn z.B. bei Einheiten wie 8 x 1000m der Puls ungefähr bei 170 ist, dann sollte beim regenerativen Dauerlauf der Puls unter 130 liegen. Vom Tempo her sollte zwischen den schnellsten und den langsamsten Dauerläufen ein Unterschied von ca. 1:30/km sein. Wenn Sie einen schnellen Dauerlauf mit 4:45/km laufen und einen langsamen Dauerlauf mit 5:00/km, dann nützen Sie nur einen kleinen Teil der Bandbreite der Intensitäten.

Die erste Intensitätsstufe, sozusagen der erste Gang, ist der Bereich „A 0“ (Regeneration – Kompensation). Dieses Tempo sollten Sie wirklich als gaaanz locker empfinden. Die Läufe dauern maximal 45 bis 60 Minuten, sonst können Sie aufgrund der Dauer irgendwann nicht mehr erholsam sein.

Der zweite Gang ist der Bereich „A 1“ (extensives Ausdauertraining I), der kein ganz langsames Dahintraben mehr darstellt, aber auch noch nach einer Stunde noch als leicht empfunden werden sollte. Bei längeren Einheiten (75 – 120/150 Minuten) erfolgt dabei eine optimale Aktivierung des Fettstoffwechsels. Das ist die Intensität, mit der Marathonläufer ihren „long jog“ machen.

Vor allem jene Läufer, die nur sporadisch trainieren, laufen oft einen großen Teil des Trainings in der nächsten Intensitätsstufe, dem Bereich „A 2“ (extensives Ausdauertraining II). Dabei haben Sie das Gefühl: „da tut sich schon was“, andererseits könnten Sie jederzeit auch einen ordentlichen Gang schneller laufen. Stoffwechselmäßig entspricht der A 2 - Bereich einem „Mischbereich“, wobei ungefähr zu gleichen Teilen Fette und Kohlenhydrate (sofern noch verfügbar) als Energielieferant verwendet werden. Die Intensitätsstufen A 1 und A 2 können als extensives Ausdauertraining zusammengefasst werden, wofür häufig auch noch der Begriff GA 1 (Grundlagenausdauer I) verwendet wird.

Zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit ist aber das Grundlagentraining natürlich zuwenig. Relativ intensive Belastungen bauen darauf auf und dienen der Leistungsentwicklung, v.a. auch zur Verbesserung der anaeroben Schwelle. Deshalb sind in der vierten Intensitätsstufe „A 3“ (Intensives Ausdauertraining) zügige Dauerläufe notwendig. Diese Intensitätsstufe sollte eine Stufe langsamer als das aktuell mögliche 10km Wettkampftempo sein (ca. 10 – 20“/km langsamer).

Zur Entwicklung der anaeroben Schwelle und der Leistung auf kürzeren Strecken sind auch Trainingseinheiten im Bereich der anaeroben Schwelle und auch etwas darüber notwendig.

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Neben kurzen, schnellen Dauerbelastungen sind „Fahrtspiele“ und das extensive Intervalltraining (Länge der Tempostrecken: 2 - 10 Minuten, z.B. 8 x 1000m mit 2 Minuten Pause) dazu geeignet. Diese Intensität wird mit „A 4“ bezeichnet. Wichtig ist v.a. für den Marathonläufer, dass dieses Intervalltraining nicht so schnell wie möglich absolviert wird, sondern nur eine Spur schneller als das mögliche 10km Tempo. Nach der letzten Wiederholung sollten Sie bei solch einem Training das Gefühl haben, dass noch zwei oder drei Wiederholungen möglich wären. Häufige intensive Belastungen verschlechtern die (für den Marathonläufer viel wichtigere) Grundlagenausdauer!

Abgesehen von Laktat und Herzfrequenz sind diese schnellen Einheiten auch deshalb notwendig, weil damit die wettkampfspezifische Schrittstruktur (Schrittlänge, Schrittfrequenz) mit einer entsprechenden muskulären Belastung geübt wird.

Sie werden immer wieder unterschiedliche Bezeichnungen der einzelnen Intensitätsbereiche finden und auch unterschiedliche Prozentwerte, je nachdem, was als Referenzgröße (100%) verwendet wird. Manchmal finden Sie Prozentangaben in Relation zur maximalen Herzfrequenz oder auch zur maximalen Leistungsfähigkeit (?). Am besten hat sich in der Praxis eine Orientierung an der Herzfrequenz an der anaeroben Schwelle bewährt. Mit einem Laktat-Stufentest (für Läufer ist allerdings ein Radtest sinnlos) kommt man der Sache schon näher. Und wenn Sie doch keine Möglichkeit zum Absolvieren einen Laktattests haben, so können Sie davon ausgehen, dass die anaerobe Schwelle bei ca. 93% der Hf-max erreicht wird. Diese Angabe und auch die Richtwerte in der nachstehenden Tabelle gelten für zumindest durchschnittlich trainierte Läufer.

Trainingsbereich Dauer Laktat (mmol) A 0 - regenerativer Dauerlauf 30 – 45‘/60‘ < ca. 1,5
A 1 - extensives Ausdauertraining I 45‘ – 1:45/2:45 ca. 1,5 – max. 2 A 2 - extensives Ausdauertraining II 30 – 60‘/1:30 2/1,5 – 3,5/2,5 A 3 - intensives Ausdauertraining 20 – 45‘/1:15 2,5 – 5

A 4 - Schwellentraining insg. 20 – 30 Netto-Minuten 4 – 8/4 – 6

Angaben hinter Schrägstrichen gelten für Marathonläufer

Prozent zur Hf-4 mmol - 75%
75 - 82,5%
82,5 - 90%

90 - 95% 95 - 102%

Anteil am gesamten Trainingsumfang 0-20%
50-60%/70%
15-25%

5 – 15% 1 – 5%

Die Intensitätssteuerung über die Herzfrequenz ist im Ausdauersport immer die erste Wahl, weil damit die tatsächliche „innere Beanspruchung“ berücksichtigt wird. Falls Sie aber immer noch eine Pulsmesser-Allergie haben sollten, können Sie die Intensitätsbereiche auch vom Tempo her ableiten. In diesem Fall müssen Sie aber unterschiedliche Bedingungen natürlich berücksichtigen:

Je nach individuellen Stärken und Schwächen, der Hauptwettkampfstrecke, den Zielsetzungen und dem Saisonabschnitt sollte aus diesen fünf „Zutaten“ ein sinnvolles Rezept zusammengestellt werden. Bei schwacher Grundlagenausdauer und für den Marathonläufer sind die ruhigen, langen Dauerläufe wichtiger als für den Mittelstreckenläufer. Zu Saisonbeginn sollten aber alle Ausdauersportler zuerst ihre Grundlagenausdauer entwickeln, bevor intensivere Trainingsformen eingesetzt werden. Trotz aller wissenschaftlichen Vorgaben sollte sie aber nie ihr Gefühl, bzw. ihr subjektives Belastungsempfinden außer Acht lassen. Disziplin und Konsequenz sind im Ausdauersport notwendig, aber eine Leistungssteigerung lässt sich nicht erzwingen! 


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Blog Wilhelm Lilge

Staatlich geprüfter Trainer und Diplomtrainer, Lauftrainer, Leistungsdiagnostiker und einer der führenden Ausdauertrainingsexperten in Österreich. http://team2012.at

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