BSN und be.public starten GB- und Finanzbuch-Shelf, Interview mit Manfred Waldenmair (be.public)

Das Ziel ist Vernetzung. Und so war es klar, dass die Technologie der Fotobuchseite http://www.josefchladek.com von BSN-Co-Eigentümer Josef Chladek (mehr als 1300 Fotobücher aus aller Welt online) irgendwann auch Einzug in das Börse Social Network finden würde. Und dieser Einzug ist mit dem Start für das grosse virtuelle Bücherregal unter http://www.boerse-social.com/companyreports nun vollzogen. Gemeinsam mit dem Partner be.public wird es fortan einen konsequenten Aufbau der Sammlung aus aktuellen und historischen Geschäftsberichten sowie Finanzbüchern geben. Der direkte Blick ins Buch ist eben eine Rezension der anderen Art. Man sieht Schriftgrösse, Schriftsatz, vielleicht ein paar Illustrationen und kann so viel besser entscheiden, ob man das Werk bestellen/lesen will oder nicht. Ziel für die nächsten Wochen ist es, den kompletten GB-Jahrgang des ATX-Prime zu bekommen bzw. auch einiges aus dem DAX. Tja, und dann gibt es zwei multimediale Erweiterungen, die aber jetzt noch nicht verraten werden. 

Hier das Auftaktinterview zur Kooperation, das ich mit be.public-Gründer Manfred Waldenmair für das Fachheft 31 (Das Fachheft 31 im Fast Forward Modus) führte. Thema: Die Faszination Geschäftsbericht mit ihren vielen Facetten.

Herr Waldenmair, Sie gelten als einer der heimischen Pioniere bei Geschäftsberichten: Seit wann begleitet Sie dieses Thema?

Manfred Waldenmair: Den ersten Geschäftsbericht habe ich im Jahr 1984 gemacht. Für die Erste Bank, den habe ich sogar noch physisch im Archiv. Aus heutiger Sicht schon ein Museumsstück.

Museumsstück? Weil die Erste erst 1987 mit den Partizipationsscheinen an die ­Börse gegangen ist?

Eigentlich haben damals neben Wirtschaftsprüfern und den Fachleuten in einem Unternehmen nur wenige Leute gewusst, wie man einen Geschäftsbericht macht und was dort hinein muss. Auch bei der Umsetzung hat man sich erst herangetastet, damals ging es vor allem um die Illustration. Das war noch die Zeit der Reinzeichnung, die Produktion war zeitaufwendig und spannend. Beispielsweise so eine Bilanz oder G&V, die in Tausende Einzelteile zerschnitten und dann vom Grafiker wieder zusammengeklebt wurde – da war schon viel Spannung dabei, ob das auch alles passt. Im Geschäftsbericht der Erste Bank wurden neben dem Vorstand, damals angeführt von Hans Haumer, übrigens auch Bereichsleiter vorgestellt. Das Ressort Grosskunden teilten sich damals zwei heute sehr prominente Banker: Andreas Treichl und Elisabeth Bleyleben-Koren. (red. Anm.: Der GB ist im Vintage-Bereich der Bookshelf boerse-social.com/companyreports zu sehen).

Wenn Sie von ‚wir‘ sprechen, ging es aber noch nicht um die be.public, oder?

Nein, 1984 war ich für die ‚Vor-Vorläuferfirma‘ Pro Press verantwortlich. Im Jahr 1989 habe ich dann die MWK gegründet, die Vorläuferin der heutigen be.public.

Sie machen in diesem Jahr 20 Geschäftsberichte, sagten Sie uns im Vorgespräch. Ist dies ein saisonales Geschäft?

Wir haben bei be.public zwei Unternehmensschwerpunkte, Corporate und Financial Communications. Financial Communications hat natürlich einen saisonalen Schwerpunkt. Im Herbst beginnen die Vorarbeiten, Ende November bis März/Mitte April ist dann die harte Zeit.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit den Unternehmen? Werden Teams gebildet?

Es gibt verschiedene Arten der Zusammenarbeit, z.B. die Komplettbetreuung – also Konzept, Redaktion und Textbearbeitung bis hin zur Umsetzung mit Layout, Umbruch und Produktionsüberwachung durch uns. Oder wir werden für Teilbereiche verpflichtet. ­Generell ist es so, dass wir pro Projekt grob gesehen meist zwei Betreuer, einen Partner und einen Projektverantwortlichen, nominieren.

Apropos Layout. Sie haben die Grafik im Haus?

Ja, ein Team von echten Spezialisten. Dieses System bewährt sich in der Praxis, vor allem bei Korrekturen und in der Endphase eines Geschäftsberichts, wenn je Minute zählt. Da ist ein Procedere der kurzen Wege ein echter Vorteil.

Ist der Geschäftsbericht in Unternehmen eher bei IR oder Corpcomm angesiedelt?

Je grösser das Unternehmen ist, desto eindeutiger liegt das bei der IR. Kleinere machen es auch über die Kommunikation, manche sogar in Verbindung mit Vorstand oder Generalsekträr.

Wie gross ist die physische Auflage eines GBs und wie hat sich das entwickelt? Ist es weniger geworden durch die Möglichkeiten der Digitalpräsentation?

Ich sage so: Es werden einfach nicht mehr unnötige Stückzahlen auf Lager gelegt. Es wird selektiver vorgegangen. Breite Publikums- oder Volksaktien distribuieren natürlich breiter. Andere gehen sehr fokussiert vor, auf jeden Fall professioneller und zielgerichteter als früher. Verstärkt wird auch die digitale Form nachgefragt. Physische Stückzahlen sind zurückgegangen. Die grossen Player liegen bei 3.000 bis 5.000 Stück, kleinere Auflagen gehen von 500 bis 1.500.

Gibt es auch Unternehmen, die keinen gedruckten Bericht haben?

Es muss in jedem Fall ein Wirtschaftsprüfer-Exemplar geben. Von unseren Kunden hat jeder Kunde eine gewisse gedruckte Auflage. Der Geschäftsbericht es ist ja auch eine Imagesache, die man für Grosskunden, finanzierende Partner, etc. einsetzen kann. Das Haptische hat schon Vorteile. Ich kenne auch viele Analysten oder Investoren, die sich ein echtes Archiv angelegt haben, und sagen: ‚Den Geschäftsbericht will ich in natura haben.‘ Zum schnellen Nachschauen ist das auch sehr praktisch.

Deutsche Sprache ist klar. Wie viele machen zusätzlich einen GB in englischer Sprache?

Mit wenigen Ausnahmen, bei denen Geschäftstätigkeit und auch Investorenkreis rein auf den deutschen Sprachraum abzielen, gibt es den Geschäftsbericht in deutsch und englisch. Manche Unternehmen machen die englische Version aber nur elektronisch.

Ich habe den Eindruck, dass die GBs zuletzt wieder lockerer, leichter und leichter lesbar wurden.

Allgemein war es so, dass eine Zeit lang die Frage nach dem ‚dicksten Ziegel‘ gestellt wurde. Teures Papier, Information, weitere Information, dann Umweltberichte, später Nachhaltigkeitsberichte, integrierte Reports. Da sind dann mehrere Zentfimeter dicke Konvolute entstanden. Davon ist man aus kaufmännischen und emotionalen Beweggründen wieder abgerückt. Das dicke Ding sagt ja auch ‚lies mich nicht‘. Man probiert jetzt wieder, straight, informativ und nicht so schwer vorzugehen.

Auf dem Stapel hier ist die Heinzel Group, nicht börsenotiert, aber ein toller GB …

Die Heinzel Group ist im Bereich Zellstoff und Papier tätig. Ein guter Geschäftsbericht ist für ein Unternehmen aus der Papierbranche auch in puncto eigene Identity sehr wichtig. Natürlich werden auch eigene Papiere eingesetzt.

Die Kreation scheint von der Pflicht zur Kür gerückt zu sein. Kommen die Unternehmen manchmal mit Künstlern nach dem Motto ‚Wir würden gern prämiert werden‘?

Das mit der Kür stimmt. Bei den Künstlern gibt es verschiedende Philosophien. Wir empfehlen unseren Kunden Umsetzungen, die in der Zielgruppe positiv angenommen werden: Financial Community, Analysten, Investoren. Diese reagieren auf Lösungen, wo die Kreativität die Aussagekraft fast schmälert, eher nicht positiv. Ein vielfach ausgezeichnetes Produkt muss also nicht unbedingt bei der Zielgruppe gut angekommen. Es gab vor Jahrzehnten einmal ein sehr öffentlichkeitsaffines Unternehmen, das unbedingt Preise gewinnen wollte. So wurde mit hohem Aufwand Kreation eingekauft, herausgekommen ist aber ein Produkt, das polarisierte; die Kreativen haben etwa statt dem Einser (1) aus grafisch-optischen Gründen ein I statt der 1 gewählt. Das brachte hämische Kommentare ein.

… erschwerte Lesbarkeit bei Financials …


Genau. Natürlich freuen wir uns auch über Preise, haben jetzt drei Mal hintereinander mit der Österreichischen Post beim Trend AAA Ranking reüssiert oder mit der Porr bei einem internationalen Wettbewerb Gold gewonnen. Viel wichtiger ist es für uns aber, dass man aus der Community gutes Feedback bekommt.

Ich durfte im Vorjahr den Uniqa-CEO für seinen GB interviewen (>> Fach-PDF 6 (27.04.2014) ). Er sagte, er macht den GB auch für die Mitarbeiter …

Es gibt auch immer wieder Konzepte, die bei der Umsetzung die Mitarbeiter stark einbeziehen. Das kann jetzt sein, dass man die Mitarbeiter in ihren Arbeitsbereichen zeigt, als Menschen in ihrer Vielfalt oder sogar in der Freizeit. Alles Möglichkeiten, sich auch intern gut zu positionieren.

Was sind österreichische GB-Stärken im Vergleich zum Ausland?

Bei internationalen grossen Kampagnen muss vieles austauschbar sein, wenn sie beispielsweise für acht Länder konzipiert wurde, können Emotionalität und lokaler Touch schnell mal fehlen. Bei grossen internationalen Werten sehe ich höchste Profession in Inhalt und Gesamtform, aber es mangelt manchmal an der Emotionalität. In Österreich geht es stärker in Richtung Stimulierung der Gefühle einer Zielgruppe. Das ist schon eine Stärke.

Wie heftig ist die Last Mile?

Sehr. Da gibt es z.B. Bestätigungsvermerke, mit denen wir operativ nichts zu tun haben, aber wir müssen darauf warten. So sind wir daher indirekt von diesen Last Minute-Dingen natürlich sehr abhängig. Nahezu jeder Geschäftsbericht wird ganz zum Schluss hektisch, auch bei der besten Planung und Zusammenarbeit. Ich kenne wirklich keinen GB, der nicht ganz zum Schluss Nachtarbeiten oder Ähnliches produziert. Auch technische Dinge wie Druck und Trocknung brauchen Zeit, das kann man schwer beschleunigen. Manchmal ist man schon froh, wenn ein Bote die ersten Exemplare in der Nacht vor der Bilanz-PK bringt ...

Welche Abkömmlinge gibt es? Mitarbeiterzeitung, Zwischenberichte?

Ja, da gibt es einiges. Vor allem Zwischenberichte, die im gleichen Stil wie der GB gemacht werden, etwa zum Halbjahr.

Und digital?

Wir empfehlen immer eine Form des elektronischen GB, der auch wirklich die Vorteile des Mediums nutzt. Ein PDF allein ist da in der Regel zu wenig. Suchfunktionen und Bearbeitungsmodi sind schon besser. Aber natürlich kann man auch Online-GBs konzipieren, die nicht nur eine Summary bieten, sondern auch Videostatements integrieren, Möglichkeiten der näheren Befassung offerieren oder auf Produkbereiche der Unternehmens-Website verlinken.



(15.04.2015)

Manfred Waldenmair (be public), (© photaq/Martina Draper)


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Christian Drastil
Der Namensgeber des Blogs. Ich funktioniere nach dem Motto "Trial, Error & Learning". Mehrjährige Business Pläne passen einfach nicht zu mir. Zu schnell (ver)ändert sich die Welt, in der wir leben. Damit bin ich wohl nicht konzernkompatibel sondern lieber ein alter Jungunternehmer. Ein lupenreiner Digital Immigrant ohne auch nur einen Funken Programmier-Know-How, aber - wie manche sagen - vielleicht mit einem ausgeprägten Gespür für Geschäftsmodelle, die funktionieren. Der Versuch, Finanzmedien mit Sport, Musik und schrägen Ideen positiv aufzuladen, um Financial Literacy für ein grosses Publikum spannend zu machen, steht im Mittelpunkt. Diese Dinge sind mein Berufsleben und ich arbeite gerne. Der Blog soll u.a. zeigen, wie alles zusammenhängt und welches Bigger Picture angestrebt wird.
Christian Drastil

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