Academy 1/1: Über Yen-Kredite für alle und die Wahrnehmung des Kapitalmarktes (Daniel Koinegg)

In den ersten Einheiten des ersten Moduls der bargain acadamy möchte ich einige einführende Gedanken zur Welt der Kapitalanlage formulieren. Beginnen will ich diese Ausführungen heute mit zwei kurzen Geschichten, die im Prinzip meine eigenen Wurzeln in Bezug auf meine Investmenttätigkeit markieren.

Die erste Erinnerung geht zurück in die Zeit kurz vor der Jahrtausendwende. Leider weiß ich nicht mehr genau, welches Jahr es war. Jedenfalls war ich damals noch Hauptschüler und mein Onkel, der sich zu diesem Zeitpunkt schon viele Jahre selbstständig mit der Veranlagung seines Kapitals befasst hatte, nahm mich mit zu einer Informationsveranstaltung eines damals ziemlich populären Finanzdienstleisters. Wir wurden dort in einen Vortragssaal gebeten, der bis auf den letzten Platz gefüllt war, und mehrere äußerst gut gekleidete Männer begannen, mit Hilfe einer sorgfältig ausgearbeiteten und sehr einprägsam gestalteten Powerpoint-Präsentation Anlageideen vorzustellen. Mit Parolen wie „Warum heißt das Sparbuch Sparbuch? Weil man es sich sparen kann!“ wurde die Zuhörerschaft darüber in Kenntnis gesetzt, dass es abseits des Bausparers, des konventionellen Sparbuches und der „Veranlagung unter der Matratze“ noch weitere Möglichkeiten gab, um Kapital fruchtbringend zu veranlagen. Passenderweise hatte der Finanzdienstleister eine ganze Palette von eigenen Möglichkeiten parat, die allesamt von atemberaubender Qualität zu zeugen schienen, weil sie ja in Vergangenheit ständig gewinnbringend waren. Das konnten die Grafiken in der Präsentation eindrucksvoll belegen.

Für gefinkelte Anleger, die ihre persönliche Reichtumsanhäufung als zu langsam empfanden, wurde eine ganz besonders interessante Kombination empfohlen: Man sollte doch, wenn man ein Haus bauen wollte, dieses Haus mit einem Kredit in einer anderen Währung finanzieren. Damals war es glaube ich der Japanische Yen. Außerdem sollte dieser Kredit endfällig sein, das heißt, dass man während der Laufzeit nur die Zinsen für den Kredit bezahlen musste. Der Zweck dieser Endfälligkeit war, dass man die monatlichen Tilgungsraten in einen Investmentfonds stecken konnte. Am Ende der Laufzeit des Kredits sollte man mit dem Kapital aus dem Investmentfonds diesen Kredit abzahlen. Im Idealfall würde das ein tolles Geschäft mit großen Gewinnen abgeben und dementsprechend war das Interesse im Publikum riesig.

Das Problem an dieser Kombination war, dass sie auch nach hinten losgehen konnte, sie war also mit Risiko behaftet. Erstens konnte sich der Wechselkurs in die Fremdwährung unvorteilhaft entwickeln. Ein kurzes Beispiel: Wenn ich mir heute 1.000 Euro Kredit aufnehmen möchte und das in japanischen Yen abwickeln will, bekomme ich beim derzeitigen Wechselkurs ca. 145 Yen für einen Euro. Das bedeutet, meine Schuld in Yen beläuft sich auf 145.000. Im Verlauf der Jahre könnte der Yen in Relation zum Euro allerdings teurer werden, sodass man möglicherweise nur mehr 100 Yen für 1 Euro bekommt. Rechnet man meine Schuld von 145.000 Yen dann in Euro um, sind meine Schulden ohne mein Zutun auf 1.450 Euro gestiegen. Zweitens konnte der Investmentfonds, in den man monatlich die Tilgungsraten eingezahlt hat, an Wert verlieren. Habe ich beispielsweise meine 1.000 Euro, die ich mir als Kredit aufgenommen habe, irgendwo investiert und dieses Investment erfährt einen Preisrückgang von 50%, ist es nur mehr 500 Euro wert. Gleichzeitig schulde ich aber über den Kredit umgerechnet 1.450 Euro. Wenn ich diese Differenz nicht aufbringen kann, bin ich pleite.

Ich als Hauptschüler habe damals diese Risiken klarerweise nicht verstanden und ich bin mir mittlerweile fast zu 100% sicher, dass auch kaum jemand sonst dort sich der Gefahren vollumfänglich bewusst war. Einer der wenigen war interessanterweise mein Onkel, der auf der Heimfahrt von dieser Veranstaltung etwas von Betrug dahermurmelte.

Die zweite Erinnerung dürfte ungefähr sieben Jahre älter sein und geht zurück in die Zeit, in der ich nach Ablegung der Matura und der Absolvierung des Zivildienstes in die Berufswelt eingestiegen bin. Da ich damals noch im elterlichen Umfeld gewohnt habe, fiel es mir als relativ sparsamen Menschen ziemlich schwer, auch nur annähernd das auszugeben, was ich jeden Monat an Gehalt überwiesen bekam. Zudem bin ich ein Spross des Onlinepoker-Booms, weshalb ein signifikanter Teil meines ursprünglichen Startkapitals aus unzähligen Stunden No Limit Texas Hold’em stammt. Irgendwann kam dann der Wunsch auf, Geld zu veranlagen, weshalb ich mich eines Vormittags im Urlaub in die Bank meines Vertrauens schleppte. Nach einem relativ umfangreichen „Beratungsgespräch“, bei dem der Kerl in der Bank ziemlich viel geredet und vorgerechnet hat und eigentlich einen ziemlich fachkundigen Eindruck bei mir hinterlassen hat, verließ ich die Filiale mit irgendeinem Versicherungsprodukt sowie zwei Investmentfonds „in der Tasche“, letztere jeweils zusammengesetzt aus einer Einzahlung zu Beginn sowie einer monatlichen Ansparung. Es wird nicht weiter verwundern, dass all diese Produkte es kaum geschafft haben, die Inflationsrate abzudecken. Nun ist es so, dass ich jemand bin, der einerseits nicht gern verliert und der andererseits so viel wie möglich wissen und verstehen will. Aus dieser natürlichen Veranlagung heraus, gepaart mit der zuvor geschilderten ersten – eher negativen – eigenen Erfahrung mit der Welt der Kapitalanlage entstammt im Prinzip mein ständig wachsendes Interesse an diesem Bereich, sowie die mittlerweile extrem tief verankerte Überzeugung, dass man sich selbst genügend Wissen aneignen sollte, um die gröbsten Veranlagungsfehler, wie beispielsweise dem beinahe blinden Vertrauen gegenüber einem „Fachmann“, zu vermeiden und gegebenenfalls sogar sein finanzielles Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen.

Möglicherweise ist dem einen oder anderen Nutzer der academy schon etwas ähnliches widerfahren. Ich persönlich denke nämlich, dass diese beiden Erinnerungen ganz gut die Problematik umschreiben, vor der beinahe jeder erwachsene Mensch irgendwann in seinem Leben mal steht. Sobald man aus irgendeinem Grund mehr Geld angehäuft hat, als man in absehbarer Zeit auszugeben plant, taucht die Frage auf, was man mit diesem überschüssigen Kapital anfangen soll. Theoretisch gibt es dafür auch unzählige Möglichkeiten, nur das Dumme an der Sache ist, dass nicht alle diese Möglichkeiten zur selben Zeit die gleichen Erfolgsaussichten haben. Außerdem braucht es ein nicht unerhebliches Wissen, um diese unterschiedlichen Erfolgsaussichten halbwegs verlässlich beurteilen zu können. Das Wissen aus der Schule und/oder aus der Universität hilft einem hier nicht weiter. Das sind die schlechten Nachrichten. Die gute Nachricht ist, dass es weder einen übermenschlichen Zeitaufwand noch einen alles konsumierenden Intellekt gepaart mit einem dreifachen Doktortitel braucht, um sich genügend Wissen dafür aneignen zu können, um keine groben Fehler in der Kapitalanlage zu begehen. Das ist alles, worum es primär auch in der bargain academy gehen wird. Sie soll eine Starthilfe für all jene sein, die sich in diese Welt bisher noch überhaupt nicht vorgewagt haben. Der springende Punkt ist ja, dass man selbst zur Auswahl eines professionellen Beraters, der für so manchen wahrscheinlich auch nach der academy durchaus die beste Alternative sein wird, einen nicht unwesentlichen Wissensstand braucht.

Ein weiterer Grund, weshalb mir die academy ein großes Anliegen ist, ist die Tatsache, dass die Wahrnehmung des Kapitalmarktes vor allem in Österreich, aber auch in anderen „entwickelten“ Ländern mittlerweile so verzerrt ist, dass mittel- und langfristig großer volkswirtschaftlicher Schaden zu befürchten ist. Wenn man den Durchschnittsösterreicher beispielsweise auf das Thema Aktien anspricht, ist die Chance relativ groß, dass dieser sofort eine Assoziation mit einem großen, bösen Spekulanten herstellt, der im Hinterzimmer konspirativ mit einigen gleichgesinnten Eingeweihten die Fäden zieht, ohne „Arbeit“ Geld nur mit dem Einsatz von Geld verdient und außerdem und überhaupt durch und durch ein schlechter Mensch ist. Außerdem dürfte die Chance relativ hoch sein, dass dieser genannte Durchschnittsösterreicher schon einmal Geld auf irgendeinen „Tipp“ gesetzt und danach verloren hat. Ob das nun im Rahmen der oben genannten Kombination aus „Fremdwährungskredit – Hausbau – Fonds als Tilgungsträger“ geschehen ist, oder über irgendwelche anderen Pyramidenspiele und ähnlich dubiose Geschichten, sei dahin gestellt. Die Muster wiederholen sich auf jeden Fall und der Gesetzgeber hat in der Regel meist so reagiert, dass bestimmte spezielle Vorgangsweisen, die besonders viel Schaden angerichtet haben, im Nachhinein verboten wurden. Ich meine, dass das der falsche Ansatz ist, weil er das Übel nicht verhindert, sondern nur reaktionär und punktuell etwas verbietet, dass sich ohnehin schon ereignet hat. Aus meiner Sicht sollte dubiosen Kapitalanlagemodellen eher präventiv via Ausbildung und Aufklärung der breiten Masse begegnet werden. Eine Vielzahl an Anlagebetrügereien und Abzocken von Privatpersonen hätte wahrscheinlich vermieden werden können, wenn der Wissensstand über wirtschaftliche Dinge in der Bevölkerung höher gewesen wäre. Die ideale Behandlung für einen Kapitalmarkt sollte eher Information, Bildung und Aufklärung auf breiter Basis anstatt reaktionärer Regulierung durch populistische Politiker lauten. Ich bin überzeugt davon, dass unser Land und die tollen Unternehmen, die es in Vergangenheit schon hervorgebracht hat und diese auch in Zukunft hoffentlich noch beherbergen wird, unglaublich davon profitieren können, wenn die Bevölkerung in wirtschaftlichen Dingen rationaler, kritischer und vor allem gebildeter wird. Fast jede Idee eines schlauen Menschen benötigt zu ihrer Umsetzung Kapital. Durch einen möglichst breiten Fundus kritischer und vor allem gut gebildeter Anleger und Sparer erreicht man gleich drei Dinge. Erstens wird durch ein kritisches Anlegerpublikum eine Vorselektion der Ideen durchgeführt, die man nicht gewährleistet, wenn Hauptzweck des Kapitalmarkts der Versuch ist, einer ahnungslosen Masse die Katze im Sack zu verkaufen. Zweitens ist – je größer der potenzielle Pool an Investoren ist, die kritisch auch unternehmerische Ideen finanzieren und nicht mehr ihr Geld im Kopfpolster einnähen – die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes gestärkt. Drittens erlaubt eine breitere Teilnahme am Kapitalmarkt auch eine bessere Vorbereitung auf die eigene Altersvorsorge, in dem man stärker am Wirtschaftswachstum partizipiert, wenn man zumindest einen mikroskopisch kleinen Teil dieser Wirtschaft selbst besitzt.

Der österreichische Kapitalmarkt und im „bigger picture“ die gesamte österreichische Volkswirtschaft benötigen meiner Meinung nach in Zukunft vor allem zwei Dinge: Erstens muss sich das Selbstverständnis der österreichischen Spitzen- und Führungskräfte, vor allem bei jenen Unternehmen, die in irgendeiner Form am Kapitalmarkt teilnehmen, ändern. Das Management muss sich seiner tragenden Rolle in der Volkswirtschaft eines Landes und vor allem seiner Verantwortung bewusst werden, und zwar nicht nur für die Arbeitsplätze, die sein Unternehmen bereitstellt, sondern auch für die Steigerung des Unternehmenswertes, von der die Eigentümer des Unternehmens profitieren können. Zweitens muss wie gesagt das Anlegerpublikum zumindest im Groben wissen, was überhaupt passiert und in der Lage sein, zu hinterfragen. Letzere Fähigkeit möchte ich mit meiner academy wenigstens etwas verbessern.

Ich persönlich bereue klarerweise nicht, mich selbst an dieses Thema herangewagt zu haben, allerdings wäre es wahrscheinlich um ein Vielfaches schneller gegangen, wenn ich jemanden gehabt hätte, der mir zu Beginn in einfachen Worten gewisse „basics“ erklärt hätte. Genau diesen Service möchte ich nun mit der academy in kleinen, leicht verdaulichen Happen (die einzelnen Kurzeinheiten sollten innerhalb von 20 bis 30 Minuten durchgelesen und nochmals durchgedacht und reflektiert werden können) all jenen bereitstellen, die jetzt an dem Punkt sind, an dem ich stand, bevor ich damals die Bankfiliale meines Vertrauens betreten habe.

 

Die wichtigsten Punkte dieser Einheit zusammengefasst:

  • Eigenes Wissen über die Grundzüge der Kapitalanlage und damit zusammenhängende Themen ist unerlässlich, egal ob man sich selbst um diese Anlage kümmern will, oder einen Profi damit betraut
  • Der Kapitalmarkt sollte durch Information, Bildung und Aufklärung anstatt von reaktionärer Regulierung dominiert werden
  • Ein kritisches Anlegerpublikum aus gebildeten Bürgern steigert die Wettbewerbsfähigkeit des Landes

Der Beitrag Academy: Modul 1, Einheit 1 erschien zuerst auf Bargain.



(05.01.2015)

ATX mit den Fachheften geschrieben. Und zwar von der 4AK der VBS Floridsdorf, Zusammenhang siehe http://finanzmarktfoto.at/page/index/227


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Daniel Koinegg

Der Praktikant.

>> http://www.bargain-investments.com


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