Die Finanzindustrie verändert sich - aber zum Besseren? (Martin Theyer)

Wer derzeit die weltweiten Nachrichten rund um die Finanzindustrie verfolgt, wird sich nicht nur in Österreich die Frage stellen, tragen all die Reformen und neuen Vorschriften Früchte?

Es ist natürlich immer schwierig abzuschätzen, welche Maßnahmen welche Auswirkungen mittel- und langfristig auf uns und die reale Wirtschaft haben. Daher möchte ich an Hand drei konkreter Beispiele versuchen, eine Antwort zu geben:

- mein erstes Beispiel betrifft die Neuorganisation des Volksbankensektors, vor allem die Abwicklung des Spitzeninstitutes ÖVAG. Ich selbst war ja mehrere Jahre in der ÖVAG tätig und verfolge daher noch mit einem gewissen Interesse die Geschicke des Sektors. Die Entscheidung das Spitzeninstitut als "Bad Bank" abzuwickeln und die Bank Konzession einzustellen finde ich gut, wenn auch sie schon früher hätte kommen müssen. Das wäre für alle Beteiligten kostengünstiger gewesen. Ich habe schon 2010 die Frage gestellt, wie viele Spitzeninstitute braucht eigentlich der österreichische Finanzplatz und welche Geschäftsmodelle sind langfristig überlebensfähig?
       Nachdem die ÖVAG die Fristentransformation nicht geschafft hat und auch als Konsortialpartner für die einzelnen Volksbanken nicht mehr risikotragfähig ist, hat sich das Ende abgezeichnet. Dass damit eine Reform des ganzen Volksbankensektors einhergeht, bedauere ich, weil ich fest davon überzeugt bin, dass gerade in der heutigen Zeit der genossenschaftliche Ansatz sehr viel Berechtigung besitzt und man sich überlegen sollte, wie ein Genossenschaftsmodell des 21.Jahrhundert anschauen könnte, al a Yunus Grameen Bank.

- mein zweites Beispiel führt mich in die US. Dort hat die US-Notenbank FED, die für die Aufsicht der Banken in Amerika zuständig ist, Experten angestellt und direkt in den Banken selbst eingesetzt, um eine bessere Kontrolle zu haben. Einer dieser Experten war Carmen Segarra, der die Aufgabe zuteil wurde Goldman Sachs zu kontrollieren. Als Sie Ungereimtheiten , vor allem was das Verhalten von Mitarbeitern der Bank gegenüber anderen Marktteilnehmer betrifft, aufdeckte, wurde sie kurzer Hand gefeuert. Ein klares Indiz für mich, dass heute stärker den je, große  Finanzinstitute versuchen den Druck zu reduzieren und dass, wie schon zu Enrons Zeiten, Whistlerblower nach wie vor gefeuert werden.  Somit hat sich eigentlich seit den 90er Jahren, wie in meinem Buch "Verlorenes Vertrauen" beschrieben, wenig geändert.

- mein drittes Beispiel betrifft die Neuregulierung der Bankenaufsicht auf europäischer Ebene. Ab dem 4.November soll ja die europäische Zentralbank die Aufsicht über "systemrelevante Institute" in ganz Europa übernehmen. Wie das genau funktionieren soll, und wer nach dem 4.November noch für welche Prüfungshandlungen lokal zuständig ist, ist noch unklar. Meiner Erfahrung nach verbessert sich die Situation nicht, wenn statt zwei  nun drei unterschiedliche Aufsichten verantwortlich sind. Ein klares Prinzip in der Wirtschaft besagt nämlich, dass Verantwortung und Funktion am besten an einer Stelle gebündelt werden sollen. Also auch hier orte ich nicht eine Verbesserung der derzeitigen Situation.

Zusammenfassend fällt mein Fazit eher ernüchternd aus: während die Politik uns weismachen machen will, dass sich alles zum Besseren wendet und die Finanzkrise überstanden sei, fürchte ich, dass wir noch  länger als uns lieb ist, mit den Folgen dieser Krise und ihrer Bewältigung auseinandersetzen werden müssen!


(06.10.2014)

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Martin Theyer

Ich konnte nach intensiven mehrjährigen Recherchen in den USA (Wharton), in der Schweiz (IMD) und in London (London Business School) und etlichen Arbeiten meiner Studenten zu diesem Thema das Konzept des Tsunami-Modells und die sich daraus ergebenden Schlüsse auf die heutige Finanzkrise entwickeln. 

>> http://mtconsult.blogspot.co.at


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