Unser Geldsystem – Teil 2 – Wieso die Geldmenge immer wachsen muss

Im ersten Teil habe ich erklärt, wie Geld heutzutage geschöpft wird. Das war nicht immer so, aber ist es für die moderne Wirtschaft wohl der beste Kompromiss.

Heute  möchte ich gerne über die Vor- und Nachteile dieses Systems schreiben, und auch wieso es – trotz vieler Gegner – immer noch die beste Lösung für unsere Wirtschaft ist.

Was ist die Aufgabe von Geld?

Geld hat vor allem 2 Aufgaben: Tauschmittel und Wertaufbewahrungsmittel.
Als Tauschmittel fungiert Geld indem es Warentausch und Investitionen ermöglicht. Gleichzeitig kann es auch als Maßstab für die Bewertung von Anlagen wie z.B. Immobillien, Aktien, Rohstoffen, etc. dienen. Der Markt bestimmt durch den Tauschwert in Geld, den Preis für diese Dinge. Man kann den Wert also bequem in die Bilanzen übernehmen. Wenn am Markt für 1 Unze Gold 1300 USD bezahlt werden, so kann ich sagen, dass meine 3 Unzen Gold 3900 USD wert sind.
Auf der anderen Seite ist Geld ein Wertaufbewahrungsmittel. Das wissen besonders die Sparer unter uns. Geld am Sparbuch oder unter dem Kopfpolster bedeutet, daß man dieses Geld zu einem späteren Zeitpunkt für Sachwerte, Konsumgüter, Dienstleistungen etc. ausgeben kann. Man verzichtet also heute auf etwas, spart das Geld, damit man morgen etwas darum kaufen kann. (Das ist der Hauptgrund der Existenz von Zinsen. Zinsen sind quasi eine “Belohnung” für die Verzögerung von Konsum)

Diese Zwiespältigkeit zwischen Tauschmittel und Wertaufbewahrungsmittel sind das Hauptproblem von Geld.

Für eine florierende Wirtschaft ist es wichtig, daß das Geld immer in Bewegung ist. Sparen blockiert aber diese Bewegung, es entzieht Geld dem Kreislauf.

Dazu ein kurzes Gedankenexperiment:
Stellen wir uns einmal vor, es gäbe nur begrenzt Geld (z.B. 300 Einheiten) und 3 Wirtschaftstreibende die anfangs je 100 Einheiten besitzen z.B. ein Bauer, ein Bäcker und ein Lebensmittelhändler. Die 3 tätigen Monat für Monat Handel mit dem Geld: Der Bauer verkauft dem Bäcker Getreide, der Bäcker verkauft dem Lebensmittelhändler Brot und der Händler verkauft dem Bauern  gute Feinkost.
Dieser Kreislauf funktioniert so lange sich die getätigten Geschäfte die Waage halten. Mit dem vorhandenen Geld könnten die drei ewig auskommen und immer ihre Geschäfte abwickeln. Die dabei erzielten Umsätze würden die vorhandene Geldmenge sehr rasch übersteigen, da sich das Geld ständig in Bewegung befindet.
Was passiert aber nun, wenn einer der Beteiligten auf die Idee kommt zu Sparen?
Nehmen wir zum Beispiel an, der Bauer entscheidet sich seine Lebensmittel für einige Zeit nicht beim Händler zu beziehen, sondern das Geld zu sparen und von dem zu Leben was sein Hof hergibt.
Der Geldkreislauf wäre sofort blockiert. Der Bauer würde dem Bäcker Monat für Monat Getreide verkaufen und das Geld unter den Kopfpolster legen. Der Bäcker könnte dem Lebensmittelhändler noch einige Zeit lange Brot verkaufen, doch bald hätte dieser kein Geld mehr. Am Ende der Geschichte wäre das ganze Geld beim Bauern angespart und die beiden anderen wären pleite.

(Jetzt kann man noch philosophieren, wie es weitergeht, wenn der Bauer den beiden anderen jeweils wieder 100 Einheiten borgt damit sei weiter wirtschaften können, dafür aber Zinsen verlangt ;-)

Warum muß die Geldmenge immer wachsen?

Nach diesem Gedankenexperiment können wir diese Frage beantworten. Ersparnisse die dem Geldumlauf entzogen sind – auch wenn sie auf Girokonten lagern – blockieren den Geldfluß in der Wirtschaft.
Viele werden glauben, daß die Banken doch einfach das Geld welches Sparer auf ihren Konten parken wieder verleihen kann.
Das ist auch das was man eigentlich über Banken schon als Kind lernt. Man bringt sein Geld auf die Bank, damit es dort “arbeitet”. Die Bank verborgt das Geld dann an andere und man bekommt dafür Zinsen.
Das stimmt leider so nicht: Das moderne Geldsystem funktioniert so, daß die Bank bei jedem Kredit den sie vergibt neues Geld schöpfen muss.
Banken verborgen keine Einlagen, es ist unmöglich für sie das zu tun.

Schauen wir uns noch einmal eine Bankbilanz an, nachdem Kunde A 100 auf die Bank getragen hat und auf sein Konto eingezahlt hat.

Bankbilanz
AKTIVA PASSIVA
Guthaben bei Zentralbank 150 Guthaben auf Konto Kunde A 100
Eigenkapital 50
Summe Aktiva 150 Summe Passiva 150

Nun möchte Kunde B sich einen Kredit über 100 aufnehmen:
Die Bank muß dafür in Ihre Bilanz den Kreditvertrag auf die Aktiv-Seite stellen. Sofern sich der Kunde den Kredit nicht in bar auszahlen lässt (was selten der Fall ist – das wäre in dem Fall dann ein Aktiv-Tausch: Guthaben bei Zentralbank – Bargeld ist Zentralbankgeld – gegen Kreditvertrag, muss sie ihm also auf der Passiv-Seite ein Guthaben einrichten.
Nachher sieht die Bilanz so aus:

Bankbilanz
AKTIVA PASSIVA
Kreditverträge 100 Guthaben auf Konto Kunde A 100
Guthaben bei Zentralbank 150 Guthaben auf Konto Kunde B 100
Eigenkapital 50
Summe Aktiva 250 Summe Passiva 250

Wie im ersten Teil beschrieben sehen wir hier wieder ein klassisches Beispiel von Geldschöpfung. Es ist der Bank gar nicht anders möglich Geld zu verborgen, als es zu “erschaffen”. Die Einlagen von Kunde A werden  jedenfalls nicht angetastet und die Zentralbankreserven auch nicht.
Wenn Kunde A also sein Geld einfach auf dem Konto liegen lässt, dann ist es im Kreislauf nicht vorhanden.

Wenn man sich die Entwicklung der Geldmenge M1 des US-Dollars ansieht (M1 heisst das Geldmengen-aggregat aus Bargeld und Sichteinlagen – Giro-Konten mit Tagesgeld) und mit den Einlagen bei der Bank of America (einer der größten Banken der Welt) vergleicht ist dieser Zusammenhang deutlich zu erkennen.

Die Geldmenge M1 des US-Dollars
Die Geldmenge M1 des US-Dollars

 

Die Sichteinlagen bei er weltgrößten Bank, der Bank of America
Die Sichteinlagen bei einer der weltgrößten  Banken, der Bank of America

Auf einigen Internet-Seiten zur Geldschöpfung wird behauptet, daß das Vorhandensein von Zinsen für den starken – fast exponentiellen – Anstieg der Geldmenge verantwortlich ist, da ja Geld aus dem Nichts geschaffen wird, dafür aber Zinsen anfallen.
Das Geld für die Zinsen – so wird erklärt – wird aber NICHT gleich mit geschöpft. So müssen immer mehr Kredite aufgenommen werden, also immer neues Geld geschöpft werden, damit diese Zinsen bezahlt werden können. Also sind die Banken die Gewinner in dem System, da ihnen diese Zinsen ja zu Gute kommen.
Leider kann ich diese Argumentation nicht ganz nachvollziehen: Wenn dem so wäre, müssten die Banken ja in Eigenkapital regelrecht ersticken. Wahr ist viel mehr, daß die Bank ja auch für die Einlagen Zinsen bezahlen muss – also nur die Zinsdifferenz aus Krediten und Einlagen ein nimmt. Von diesen Einnahmen müssen sie aber den laufenden Betrieb bezahlen, Gehälter, Mieten, etc. Außerdem müssen sie Rücklagen für Kreditausfälle bilden.
Alleine durch die Bezahlung des laufenden Betriebes kommt von den Banken wieder Geld im Umlauf, welches für die Bezahlung der Zinsen “genutzt” werden kann – es muss also nicht zusätzlich geschöpft werden.
Die wäre Ursache für das Wachstum der Geldmenge ist also eine zu geringe Umlaufgeschwindigkeit.

Die Quantitätsgleichung:

Um diesen Zusammenhang zu erklären, wird oft die Quantitätsgleichung hergenommen. Sie lautet folgendermaßen:

Geldmenge mal Umlaufgeschwindigkeit = Preisniveau mal Anzahl der Transaktionen

Die rechte Seite der Gleichung beschreibt im Prinzip unsere Wirtschaftsleistung, also das BIP (in dem Fall auch nominales BIP genannt, da es hier nicht inflationsbereinigt ist). Am Preisniveau kann man die Inflation ablesen. Wenn die Geldmenge und die Umlaufgeschwindigkeit also konstant wären und auch konstant viele Güter verkauft werden, wäre das Preisniveau auch stabil.
Erhöht sich aber die Anzahl der Güter (z.B. bei Wirtschaftswachstum) und die Geldmenge sowie die Umlaufgeschwindigkeit bleiben statisch, führt das zu einem Preisverfall, also zu Deflation. Umgekehrt führt eine zu große Geldmenge bzw. Umlaufgeschwindigkeit zu Inflation.

In den letzten Jahren hat sich also die Geldmenge durch Zentralbankmaßnahmen (wie z.B. Zinssenkungen, oder das quantitative easing der FED) sehr stark erhöht – wie auch in dem Chart zu sehen ist. Diese Maßnahmen waren aufgrund der Finanzkrise erforderlich um eine Deflation zu verhindern. Die Umlaufgeschwindigkeit ist stark zurückgegangen. Jeder hat Angst vor Investitionen. Hätten die Zentralbanken nicht gegengesteuert, wäre ein Teufelskreis in Gang gekommen, der meiner kurzen Geschichte/Gedankenexperiment sehr ähnlich gewesen wäre.

Unser Geldsystem erlaubt es also, daß die Geldmenge mit der Wirtschaft mitwachsen kann. Bei einer Goldwährung wäre das z.B. nicht möglich.



(19.09.2014)

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Michael Gredenberg

Inode-Gründer. Heute u.a. passionierter Radfahrer und Finanzautor via financeblog.at.

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