28.07.2013, 5261 Zeichen
Ja, ja, der Föderalismus. Der ist an und für sich schon ganz in Ordnung. Identitätsstiftend, weil Entscheidungen dort getroffen werden, wo sie hingehören. Ein Kärntner ist eben kein Oberösterreicher und ein Bregenzer kein Kremser. Die regionale Artenvielfalt ist auch einer der Gründe, weshalb die Österreicher die Aufgabenteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden ziemlich gut finden. Aber leider, so ist immer öfter zu hören, könne sich ein kleines Land wie Österreich den Föderalismus nicht mehr leisten. Neun Länder, 80 Bezirke und 2357 Gemeinden samt dazugehörenden Verwaltungseinheiten sind für einen Ministaat wie Österreich ein nicht mehr zu bezahlender Luxus.
Schließlich gäbe es in Dänemark gerade einmal 98 Gemeinden und außerdem komme das benachbarte Bayern ja auch ohne Bundesländer aus (gerne unterschlagen werden die sieben Regierungsbezirke, die unseren Bundesländern schon recht nahe kommen. Zudem zählt Bayern 71 Landkreise und 2056 Gemeinden). Wer heute modern sein will, denkt in großen Einheiten, Kleinstaaterei ist längst zum Synonym für Kleingeisterei verkommen. Selbst in der Schweiz, dem zu Land gewordenen Föderalismus, finden sich wöchentlich Berichte über geplante Fusionen von Kantonen und Gemeinden. Weshalb es auch höchste Zeit sei, den sündteuren Föderalismus in Österreich zu korrigieren, respektive abzuschaffen.
Österreichs Pseudoföderalismus. Unglücklicherweise wird das mit dem Abschaffen nicht ganz einfach werden. Das liegt schon einmal daran, dass etwas, das es nicht gibt, vergleichsweise schwer aus der Welt zu schaffen ist. Österreich ist zwar ein föderal organisiertes Land, das aber nur in der Theorie. Echter Föderalismus verlangt nämlich neben einer klaren Kompetenzverteilung noch zweierlei: Kein Bail-out für schlecht wirtschaftende Länder und Gemeinden sowie Steuerhoheit für selbige. In Österreich hat der Bund aber selbstverständlich die Haftungen des Landes Kärnten übernommen (das noch dazu ohne finanzielle Gegenleistung). Von Steuerhoheit also keine Spur, der Bund treibt 95 Prozent der Steuern ein, die dann in Gutsherrenart verteilt werden. Vor allem von großherzigen Landesvätern, die es besonders gut mit ihren Anvertrauten meinen.
Während die Länder und Gemeinden also gerade einmal fünf Prozent aller Steuern selbst eintreiben, gehen 30 Prozent der Staatsausgaben auf ihr Konto. Ein System, das geradezu auf Geldverschwendung ausgerichtet ist. Wer sich für die ausgegebenen Steuergelder nie verantworten muss, greift naturgemäß gerne und tief in die von fremder Hand gefüllte Tasche. Die Folgen sind überteuerte Prestigeprojekte, verspekulierte Landesbanken, „verlorene“ Wohnbaugelder und explodierende Schulden in den Ländern. Dort wurden sie seit 1995 verdreifacht, im Bund verdoppelt. Einzig in den Gemeinden sind sie leicht rückläufig.
Diesen österreichischen Pseudoföderalismus durch eine straffe Zentralisierung zu ersetzen, wäre natürlich eine Möglichkeit. Die weitaus bessere wäre freilich, in diesem Land den Föderalismus endlich einmal einzuführen. Zentralisierte Staaten werden keineswegs günstiger verwaltet als föderale, ganz im Gegenteil. Es ist eben keine Frage von Größe, wie teuer oder günstig ein Staat verwaltet wird. Sondern eine Frage des Anreizsystems. Und da zeigt sich, dass föderal organisierte Länder besser abschneiden. Wie etwa Kanada oder die Schweiz, die mit 26 Kantonen, 148 Bezirken und 2408 Kommunen noch kleinteiliger aufgestellt ist als Österreich. Dennoch verwalten die Eidgenossen ihr Land um ein Drittel günstiger als das flächenmäßig doppelt so große Österreich.
Bei den Eidgenossen wird das Geld in der Regel dort eingehoben, wo es ausgegeben wird. Wenn der Bürgermeister ein Schwimmbad oder ein zweites Feuerwehrhaus bauen lassen will, fein. Vorausgesetzt, die Bürger stimmen dem Vorhaben und den damit verbundenen Steuererhöhungen zu. Dasselbe passiert im Kanton und auf Bundesebene. Abstimmen darf, wer bezahlt. Das sichert den sorgsamen Umgang mit Steuergeldern, und die unmittelbare Betroffenheit erhöht auch die Steuermoral.
Schweizer Wettbewerbsföderalismus. Der Bund kassiert in der Schweiz die wichtigen indirekten Steuern (allen voran die Mehrwertsteuer). Aber alle drei Verwaltungsebenen heben selbstständig Einkommensteuern ein. Und zwar mit deutlich unterschiedlich hohen Sätzen. Sie differieren von Kanton zu Kanton, von Gemeinde zu Gemeinde, teilweise sogar beträchtlich. Die Folge ist ein enormer innerstaatlicher Wettbewerb um die Steuerzahler, der das Preis-Leistungs-Verhältnis des öffentlichen Angebots verbessert. Gerade den ärmeren Regionen eröffnen sich Chancen, mit niedrigen Steuern Unternehmen und Besserverdiener anzuziehen. Wem das nicht gelingt, der darf immer noch auf den Finanzausgleich hoffen, den es natürlich weiterhin gibt.
Ein derartiger Wettbewerbsföderalismus wäre für Österreich der richtige Weg. Vor allem für die Gemeinden, die sich aus der finanziellen Abhängigkeit und der Bevormundung übergeordneter Einheiten befreien könnten. Zum Wohl aller Bürger, die sich über einen besser und auch noch günstiger verwalteten Staat freuen dürfen.
Der (echte) Föderalismus ist nämlich an und für sich ganz in Ordnung. (“Presse”)
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franz.schellhorn@diepresse.com
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