21.06.2013, 6570 Zeichen
Die Erste Bank (und Sparkassen) macht ihrem Namen wieder mal alle Ehre. Sie ist die erste Österreichische Bank(engruppe), die ihren Netbanking-Kunden ein Personal Finance Management-Tool (PFM) anbietet. Was kann das Ding und wozu ist es strategisch gut?
Personal Finance Management-Tools ermöglichen es Bankkunden vereinfacht gesagt, ihre Finanzen besser in Griff zu haben. Dazu haben PFM-Tools stets Analysefunktionen, mit denen Bankkunde ihr Ausgabeverhalten durchleuchten können sowie Budgetierungsmöglichkeiten, mit denen Bankkunden ihre zukünftigen Ausgaben besser planen und sich Limits setzen können. Drumherum gibt’s dann je nach Lösung die eine oder andere weitere Funktion. Versucht wird in der Regel auch, die Informationen graphisch darzustellen sowie Funktionen für Bankkunden so intuitiv wie möglich zu designen.
In dem Zusammenhang fällt Österreich wieder mal negativ auf. PFM-Tools wurden in anderen Ländern von (einzelnen) Banken schon vor Jahren eingeführt, zum Beispiel im Jahr 2009 von der spanischen BBVA. Es gibt also durchaus bereits Erfahrungen, wie sich ein solches Angebot auf die Kundenbeziehung auswirkt, wie viele Kunden PFM nützen, etc.. In Österreich haben die führenden Banken das Thema sicher schon beobachtet, aber wie so oft ist man eben meist “Follower”. Die Erste Bank, die seit einiger Zeit gezielt an ihrem Innovationsimage arbeitet und dafür auch einiges tut, ist nun der erste österreichische Anbieter eines Tools, das früher oder später kommen musste, wenn man die Innovationsführerschaft inne haben möchte. So etabliert ist das Thema mittlerweile.
Dennoch kann es sein, dass die Banken beim Thema Personal Finance Management womöglich zu spät dran sind bzw. eventuell gar nicht die besten Voraussetzungen mitbringen. International gibt es nämlich eine beträchtliche Anzahl an Internet-Anbietern, die einen Schritt weiter gehen. Sie ermöglichen nicht nur PFM innerhalb einer Bankverbindung, sondern über alle Bankverbindungen, die ein Kunde besitzt. In vielen Ländern gibt es dazu ganz gute Voraussetzungen, wenn diese Startups die Kontodaten beispielsweise über den HBCI- oder FinTS-Standard direkt von den Banken der Kunden abrufen. Haben diese mehrere Bankverbindungen, konsolidieren die Tools dann sämtliche Ausgaben für Analyse, Vergleiche mit ähnlichen Kunden, etc. Mint.com in Amerika ist der bekannteste Anbieter, der aber mittlerweile auch in Europa einige “Copy Cats” (Kopien) zur Folge hatte. Selbstverständlich funktioniert das dort dann auch auf allen mobilen Devices (Smartphone, Tablet). Aus Sicht der Banken ist das meiner Meinung nach geradezu grotesk. Ich kenne die Schwierigkeiten, Kundendaten zu analysieren und zu verwerten ganz gu, die Diskussionen und was da von verschiedenen Seiten an Bedenken und Barrieren fabriziert wurde. Nun machen’s halt andere Firmen mit den Daten der Banken….
Wie schon oben erwähnt ist es für die Erste Bank und die österreichischen Sparkassen ein schlüssiger Schritt. Wer ein Innovationsimage aufbauen möchte, kommt am Thema PFM nicht vorbei. Auch wenn PFM international betrachtet nicht mehr gerade ultra-innovativ ist, ist es in Österreich doch neu. Aber nicht nur das. Ich habe im Blog ja schon mehrfach erwähnt, dass ich die Funktionalitäten und damit den Nutzen von Onlinebanking-Applikationen bisher durchwegs als bescheiden einschätze (heute bin ich diplomatisch ). Diese sind durchwegs über die Grundfunktionalität, die man sich als Kunde erwartet, noch nicht hinaus gekommen. PFM ist natürlich ein wichtiger Bestandteil eines Onlinebankings, das mehr sein will. Es ist quasi die Basis für eine Vielzahl an Funktionen, die das Ziel haben, den Bankkunden das Geldleben und den Umgang mit dem Geld zu erleichtern. Und es ist der erste Schritt der Bank über das Bereitstellen von Bankprodukten hinaus.
PFM hat gewiss eine Reihe von strategischen Implikationen. Wenn man alleiniger Anbieter einer solchen Funktionalität ist, kann man gewiss beim Image punkten und sicher auch den einen oder anderen affinen Kunden gewinnen. Einen weiteren Aspekt möchte ich auch noch hervorheben. PFM erzeugt Daten. Durch Aggregation, Zuordnung, Analysen, Soll-Ist-Vergleiche, etc. Wie haben sich meine Ausgaben in den letzten Jahren entwickelt? Wie setzten sich meine Ausgaben vor 5, 8 oder 10 Jahren zusammen, als ich noch weniger verdiente und in einer Mietwohnung wohnte? Wo habe ich mich verbessert? Wo habe ich mich verschlechtert? Welche Ziele habe ich erreicht? Welche möchte ich noch erreichen? Wie könnte ich mehr sparen? Genau. Es entsteht ein historischer Datenbestand, den Kunden nicht einfach zur nächsten Bank mitnehmen können, wenn sie dort bessere Konditionen finden würden. Ja, man kann die Daten vielleicht downloaden, aber ins System einer anderen Bank wird man’s nicht reinbringen. Also entsteht eine strukturelle Wechselbarriere. Ich habe einen Nutzen, der andere Dinge (Nachteile), zum Beispiel einen höheren Preis, wettmachen kann. Nicht bei jedem Kunden und nicht jeweils in der selben (Preis-)Höhe, aber doch.
Und an dieser Stelle schießt sich die Erste Bank dann plötzlich ins Knie. Die Daten werden nur 18 Monate aufbewahrt! 18 Monate? 1,5 Jahre? Ich höre schon die IT. So viele Daten, das kostet Speicherplatz. Das verringert die Performance. Uiiii, arm. Nein. Spaß beiseite. Bitte noch mal den vorherigen Absatz durchlesen. In der Euphorie wurde nämlich der wichtigste strategische Faktor vergessen!
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